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O+P Fluidtechnik 1-2/2016

O+P Fluidtechnik 1-2/2016

ANTRIEBE FORSCHUNG UND

ANTRIEBE FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED ÄHNLICHKEITSBEZIEHUNGEN BEI VERDRÄNGERMASCHINEN – EINE EINHEITLICHE WIRKUNGSGRADMODELLIERUNG Peter F. Pelz, Christian Schänzle, Tobias Corneli Verdrängermaschinen zeichnen sich durch ihr breites Einsatzspektrum aus. Dies zeigt sich in der Vielzahl zum Einsatz kommender Medien und in der Vielfalt konstruktiver Ausführungen. Aufgrund dieser Vielfalt ist eine einheitliche Wirkungsgradmodellierung, die für eine konsistente energetische Bewertung von Maschinen notwendige Voraussetzung ist, bisher nur in Ansätzen gelungen. Die hier vorgestellte dimensionsanalytische Modellierung ermöglicht nunmehr eine kompakte und typenunabhängige Beschreibung des Wirkungsgrads anhand lediglich folgender vier dimensionslosen Kenngrößen: (i) Spezifischer Druck, (ii) Reynoldszahl, (iii) spezifische Nachgiebigkeit und (iv) relativer Spalt. Im Modell unterscheiden sich die Maschinentypen allein durch den relativen Spalt. Maschinen gleichen Typs ordnen sich zu einer Spaltklasse. Dies ist das Ergebnis der Modellanwendung auf vier verschiedene Maschinentypen mit 155 unterschiedlichen Größen und über 2680 Betriebspunkten. Autoren: Dipl.-Ing. Christian Schänzle und Tobias Corneli, M.Sc. sind Mitarbeiter der TU Darmstadt, Institut für Fluidsystemtechnik (FST). Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Pelz ist Institutsleiter. 104 O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 1-2/2016

ANTRIEBE EINLEITUNG Für Verdrängermaschinen existieren detaillierte typenspezifische Modelle für die innere Leckage und die mechanisch-hydraulischen Verluste. Demgegenüber fehlt jedoch eine kompakte, physikalisch begründete und typenunabhängige Modellierung des Wirkungsgrads in Abhängigkeit der wesentlichen Betriebs- und Maschinengrößen. Die Typenunabhängigkeit ist auf der einen Seite für die einheitliche energetische Bewertung notwendig. Auf der anderen Seite erleichtert die Typenunabhängigkeit die Maschinenauswahl. Zusammengefasst muss die Wirkungsgradbeschreibung kompakt, einheitlich, physikalisch begründet und einfach anwendbar sein. Die hier erstmals präsentierten Ergebnisse erfüllen diese Anforderungen. Methodisch wird folgender Weg beschritten: Im ersten Schritt wird aus dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik die Wirkungsgrad definition von Verdrängermaschinen abgeleitet. Dabei liegen bei dieser Arbeit tropfbare Medien sowie Arbeitsmaschinen im Fokus. Im zweiten Schritt wird der Wirkungsgrad, wie allgemein üblich, in einen volumetrischen und hydraulisch-mechanischen Wirkungsgrad aufgetrennt, und für jeden Teilwirkungsgrad ein physikalisch begründetes und dimensionsanalytisch verallgemeinertes Modell entwickelt. Dabei sind eine dimensionsanalytische Beschreibung der inneren Leckage sowie die Einführung des relativen Spaltes als wesentliches Unterscheidungsmerkmal von Maschinentypen neu. Im dritten und letzten Schritt wird das kompakte, typenunabhängige Modell auf die Daten von vier verschiedenen Maschinentypen mit 155 unterschiedlichen Größen und über 2 680 Betriebspunkten angewendet. Der Nutzen der Arbeit ist dreierlei: Erstens können die Ergebnisse von Anwendern bei der Maschinenauswahl genutzt werden. Zweitens dienen die Ergebnisse den Maschinenherstellern hinsichtlich der Skalierung von Volumenstrom und Leistungsaufnahme bei unterschiedlichen Medien und der Untersuchung von Fertigungsunsicherheiten. Drittens bilden die Ergebnisse eine physikalisch-technisch sinnvolle Basis zur übergreifenden Effizienzbewertung von Verdrängermaschinen. Der letztgenannte Punkt mag in Zukunft zunehmend wichtiger werden. Hierfür muss die Effizienzbewertung typenunabhängig sein. STAND DER FORSCHUNG In der Literatur finden sich zahlreiche Untersuchungen zur Modellierung des Wirkungsgrads von Verdrängermaschinen. Murrenhoff et al. [Mur07] geben hierzu einen sehr ausführlichen Überblick über bisherige Untersuchungen. Ausgehend von den Modellansätzen unterteilen sie die Wirkungsgradmodelle in physikalische, analytische und numerische Modelle. Die physikalischen Modelle beschreiben die volume trischen und mechanisch-hydraulischen Verluste in Verdränger maschinen. Wilson [Wil50] entwickelte auf dieser Basis Ende der 1940er- Jahre erstmals ein Wirkungsgradmodell, welches die Leckage als laminare Strömung annimmt und die mechanisch-hydraulischen Verluste allein durch die viskose Reibung beschreibt. Dieses Modell wurde von Schlösser und Hilbrands [Sch61][Sch63][Sch65][Sch68] in den 1960er-Jahren weiterentwickelt. Die Leckage wird um einen turbulenten Strömungsanteil ergänzt. Das Modell für die mechanisch­ hydraulischen Verluste wird um einen druck- und einen trägheitsdominierten Verlustterm erweitert. Thoma [Tho70] und Bravendik [Bra87] griffen diese Modelle auf und entwickelten sie für Verdrängermaschinen mit verstellbarem Verdrängervolumen weiter. Diese physikalischen Modelle haben gemein, dass dort dimensionslose Verlustfaktoren verwendet werden, vergleichbar mit Druckverlustbeiwerten. Diese Verlustfaktoren werden empirisch bestimmt und als konstant angenommen. Untersuchungen von Zarotti und Nervegna [Zar81], Rydberg [Ryd83] und McCandlish und Dorey [McC88] haben gezeigt, dass diese Annahme verletzt wird, beispielsweise durch sich verändernde Spalt höhen bei unterschiedlichen Betriebsbedingungen. Darin ist die Unsicherheit dieser Modelle begründet. Sie verfolgen daher Modell ansätze, die eine physikalische Verlustbeschreibung mit empirischen Formulierungen auf Basis von experimentellen Ergebnissen kombinieren [Iva93]. McCandlish und Dorey zufolge steigt dabei die Komplexität dieser Modelle. Sie müssen nach aktuellem Stand der Wissenschaft und Technik für verschiedene Maschinentypen angepasst werden. Eine Vergleichbarkeit unterschiedlicher Maschinentypen wird folglich erschwert. Einen weiteren Modellierungsansatz stellen nach Murrenhoff [Mur07] die numerischen Modelle von Ivantsyn und Ivantysynova [Iva93], Huhtala [Huh96] und Baum [Bau01] dar. Grundlage dieser Modelle ist eine hohe Anzahl an Messwerten, die mit unterschiedlichen numerischen Methoden, beispielsweise nichtlinearen Polynomfunktionen oder neuronalen Netzen, approximiert werden. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es einen Trend hin zu immer feinergranularen, maschinenspezifischen Modellen gibt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob nicht eine einheitliche Modellierung der Effizienz von Verdrängermaschinen existiert, die physikalisch und dimensionsanalytisch begründet ist. Solch eine Modellierung ist für eine gesamtheitliche Bewertung von Verdrängermaschinen erwünscht. Mit der Arbeit von Cordier existiert eine derartige Darstellung für Turbomaschinen [Cor53]. Für Verdrängermaschinen existiert nichts Vergleichbares. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es daher, ein Wirkungsgradmodell zu entwickeln, welches typenunabhängig das Wirkungsgradverhalten von Verdrängermaschinen in Abhängigkeit von wenigen dimensionslosen Kenngrößen beschreibt. Dieses Vorhaben ist eng mit den folgenden zwei Forderungen verknüpft: Erstens soll die Modellbeschreibung für unterschiedliche Medien anwendbar sein. Dies ist bei den bekannten maschinenspezifischen Modellen überwiegend nicht der Fall. Zweitens erfordert ein typenunabhängiges Modell das Loslösen von der maschinenspezifischen Gestalt. Dabei stellt sich dann die Frage nach der zu erwartenden Modellunsicherheit. Im Vergleich zu rein empirischen, datengetriebenen Modellen (Polynomapproximationen, neuronale Netze, usw.) zeigt der neue Ansatz eine geringere Modellunsicherheit bei den verfolgten maschinentypübergreifenden Betrachtungen. Bei der Anwendung auf einen einzigen Maschinentyp zeigen demgegenüber die datengetriebenen Modelle erwartungsgemäß eine geringere Modellunsicherheit. Unser Ziel ist aber gerade die typenunabhängige Beschreibung, für die unserer Kenntnis nach nur sehr wenige Ansätze existieren. Die Arbeit gliedert sich in die oben bereits angesprochenen drei Teile: Erstens die Diskussion des Wirkungsgrades im Lichte des ersten Hauptsatzes, zweitens die dimensionsanalytisch verallgemeinerte Modellierung des Wirkungsgrades als Funktion der vier dimensionslosen Größen spezifischer Druck Δp + , Reynoldszahl Re, spezifische Nachgiebigkeit κΔp sowie relativer Spalt ψ. Drittens folgt die Modell identifikation und -anwendung anhand von Maschinendaten. Der Artikel wird durch ein Anwendungsbeispiel abgeschlossen. WIRKUNGSGRAD Zunächst wird der Energiewandlungsprozess in einer Fluidenergiemaschine näher betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass die Maschine im zeitlichen Mittel stationär arbeitet. Der erste Hauptsatz der Thermodynamik für im zeitlichen Mittel stationäre Vorgänge lautet Dabei ist der Massenstrom mit bezeichnet, die Differenz der Totalenthalpie zwischen Aus- und Eingang mit Δh t sowie der mecha­ O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 1-2/2016 105

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