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O+P Fluidtechnik 1-2/2016

O+P Fluidtechnik 1-2/2016

G. Schrank: Dabei ist

G. Schrank: Dabei ist die Kommunikation auf der untersten Ebene bereits bidirektional. Entscheidungen können aufgrund einer Not- oder Servicesituation schon auf dieser Ebene getroffen werden. Es werden nur noch Meldungen nach oben gegeben und nicht ein unwahrscheinlich großer Datenstrom in irgendeine Zentrale geleitet und dort verarbeitet. Auf der Feldebene, insbesondere wenn es um Überwachung oder Service geht, bieten wir Produkte, die mit entsprechenden elektronischen Schnittstellen ausgerüstet sind. Über kleine Regeleinheiten können wir in einer untergeordneten Ebene auch entsprechende Entscheidungen treffen und eine bidirektionale Kommunikation führen. Wir rüsten unsere Komponenten so aus, dass sie uns die nötigen Informationen geben, aber dann gehen die Signale an die SPS der Maschinensteuerung. Dr. P. Saffe: Es ist sicher nicht nur die Kommunikation nach oben zur Steuerung oder ins Internet, die wichtig ist. Von Bedeutung wird auch sein, dass Komponenten auf der untersten Ebene miteinander kommunizieren und auch Daten mit dem Werkstück unseres Kunden austauschen können. Nehmen Sie z. B. eine Wartungseinheit, die auf einen bestimmten Druck eingestellt wird. Wenn man diese Einheit austauscht, wäre es hilfreich, wenn diese ihrem Austauschgerät mitteilen könnte, wie sie eingestellt war. Dies würde Einstellarbeiten durch einen Techniker ersparen. Das erfordert keine zentrale Steuerung, das lässt sich über einen Internetanschluss realisieren. Dr. M. Barth: Im Bereich Service gibt es diverse Aufgaben, bei denen zukünftig auch ein drahtloser Datenaustausch von einer smarten Komponente zur anderen oder zu einem mobilen Endgerät interessant sein kann. Hydac arbeitet hier an ersten Produkten. Innerhalb einer Anlage bietet sich IO-Link an, um z. B. im Servicefall die Einstellungen eines Sensors automatisch auf den neu eingebauten zu übertragen. Industrie 4.0 wird sicherlich dazu beitragen, dass die Funktionalitäten, die IO-Link bietet, zukünftig deutlich stärker genutzt werden. Bezüglich der Eingangsfrage möchte ich anmerken, dass natürlich auch bei den mechatronischen Systemen selbst Weiterentwicklungen im Hinblick auf I4.0 erfolgen. Neben Verbesserungen im Bereich der Energieeffizienz sind z. B. zusätzliche Funktionalitäten zur Vereinfachung der Inbetriebnahme oder auch erweiterte Diagnosefunktionen zu nennen. Da Diagnosefunktionen u. a. die Erhöhung von Anlagenverfügbarkeiten ermöglichen, bringen sie Kunden einen durchaus relevanten Nutzen. Wenn wir eine kurze Zwischenbilanz ziehen: Was können wir festhalten? Prof. M. Putz: Mit I4.0 haben wir die Chance, über traditionelle Fachgrenzen weit hinaus zu denken und eine große Vielfalt von Anwendungen zu gestalten. Für mich sind es vier gleichberechtigte Schwerpunkte die I4.0 ausmachen. Erstens: Der augenblickliche Zustand der betrachteten Maschine oder Anlage muss in Form von Daten erfasst werden. SPECIAL / INDUSTRIE 4.0 Zweitens: Aus den vielen Daten muss man Informationen gewinnen, und in einer I4.0-Umgebung sollte dies automatisiert geschehen. Wir sollten uns auch bewusst sein, je mehr Sensoren in ein System eingebaut sind, desto mehr Daten fallen an und desto störanfälliger wird das System. Vielfach sind zusätzliche Sensoren gar nicht notwendig; durch Verknüpfen vorhandener Informationen kann man oft neue Informationen gewinnen. Die ursprünglichen Signale bzw. Daten dienen zwar einem anderen Zweck, aber aus ihrer Verknüpfung kommt man zu virtuellen Sensoren, die einen zusätzlichen hardwaretechnischen Sensor erübrigen. Drittens: Aus Informationen muss man Wissen generieren. Das ist heute die Kern - kompetenz der Fachleute. Bei I4.0 wollen wir das ebenfalls automatisieren – vielleicht mit intelligenten, selbstlernenden I4.0-Komponenten und ohne eine zusätzliche übergeordnete Steuerung. Viertens: Die Strategie I4.0 muss Wertschöpfung für den Kunden bringen. Einige Vorredner hatten bereits darauf hingewiesen und schöne Beispiele genannt: Systeme, die sich selbst konfigurieren oder selber überwachen. Wir sollten uns fragen: Wo finden sich wirklich neue Geschäftsmodelle? Wo haben wir noch feste Wartungszyklen, weil man den Systemzustand nicht genügend gut kennt? Bietet die Kommunikation auf Komponentenebene nicht tatsächlich neue Lösungen, die unsere Kunden wirklich gut gebrauchen können? Ich halte viele Steuerungsebenen bei I4.0-Architekturen im technischen Bereich nicht für zweckmäßig und notwendig. 46 O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 1-2/2016

109. O+P-GESPRÄCHE Gibt es in anderen Fachgebieten, beispielsweise bei Werkzeugmaschinen, Erfahrungen über die Wertschöpfung durch zusätzliche Erfassung und Auswertung von Daten? Prof. M. Putz: Die Werkzeugmaschinen-Hersteller versuchen über dieses Thema ihre Margen für Service, der heute vielleicht bei 2 bis 3 % liegt, auf ca. 10 % zu erhöhen. Wenn es darum geht, zusätzlichen Service in den Geschäftsmodellen mit anzubieten, tut man sich unglaublich schwer; denn man hat über lange Zeit Serviceleistungen kostenfrei mitgeliefert, damit der Kunde das Produkt kauft – man hat den Wert des Service nicht finanziell genutzt. Hier sollte die Fluidtechnik von Anfang an wachsam sein und bei I4.0-Anwendungen ganz bewusst aus Wissen ein Geschäftsmodell machen. M. Vukovic: In der Hydraulik kommunizieren Komponenten häufig schon auf der untersten Ebene miteinander – aber hydraulisch. Bei einem Bagger mit einer Load-Sensing-Steuerung meldet der Zylinder den Lastdruck zur Pumpe. Beide Komponenten kommunizieren schon sehr gut miteinander, aber ohne elektrische Signale, sie nutzen nur hydraulische Signale. Diese Technik der Kommunikation zwischen einzelnen hydraulischen Komponenten ist schon sehr fortgeschritten. Sollen bei I4.0 nun elektrische Sensoren an diese Stelle treten? Prof. M. Putz: Nein. Die Vorteile der Hydraulik müssen wir unbedingt erhalten. Das meinte ich am Anfang unseres Gesprächs, als ich sagte: Wir müssen nicht nur I4.0 in die Fluidtechnik einbringen, sondern verständlich und nachvollziehbar zeigen, welche Aspekte die Fluidtechnik bereits anzubieten hat – genau den Spieß umdrehen. Dann können wir durch die I4.0-Technologie die Leistungsfähigkeit noch erhöhen und eine zusätzliche Wertschöpfung erzielen. G. Schrank: Brauchen wir jetzt andere Hydrauliker? Viele denken nicht so, wie sie das geschildert haben. Prof. M. Putz: Ich freue mich, dass Sie das fragen. Andere Hydrauliker? Die Weiterentwicklung der Hydrauliker zum Mechatroniker hat sich in den letzten 20 bis 25 Jahren schon angedeutet. Man muss sich entscheiden, ob man Anwender von Komponenten ist oder ob man das Denken in Systemen, das Denken über Fachgebietsgrenzen hinaus vertritt. Selbst wenn sich ein Hydrauliker primär als Anwender fertiger Komponenten versteht, kann er trotzdem mit überlegen, wo bei Daten, Informationen, Wissen, Wertschöpfung Ansätze für neue Lösungen vorhanden sind. Ich denke seit geraumer Zeit beispielsweise darüber nach, welche Funktionserweiterungen mit Hilfe von I4.0-Technologie bei einem 4/3-Wegeventil über die Schaltfunktion hinaus möglich sein könnten? Dr. P. Saffe: Wir können sogar schon bei einem 3/2-Wegeventil durch zusätzliche Sensorik eine interessante Funktionserweiterung realisieren. Ich nenne ein Beispiel: Wir bauen einen Drucksensor ein. Der meldet über seine Schnittstelle den zeitlichen Verlauf des Druck - aufbaus hinter dem Ventil. Der Druckaufbau ist drei Jahre lang gleich, dann verändert er sich – der Grund: Leckage. Die Anlage braucht Instandhaltung. Natürlich sind wir wieder dicht an der Servicefunktion. Aber das sind genau die Funktionen, die unsere Kunden heute brauchen, die sie verstehen, und die sie haben wollen. Wenn unser Kunde eine angebotene Funktion nicht versteht, dann will er sie auch nicht bezahlen. Prof. P. Post: Mit einer Vielzahl fluidtechnischer Komponenten sind wir prinzipiell I4.0-fähig. Sie lassen sich perfekt in verschiedene Umgebungen und auch in unterschiedliche Steuerungsarchitekturen integrieren. Möglicherweise müssen wir an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen mehr Funktionalität in die Komponenten oder in die Architektur hineinbringen, aber das ist prinzipiell technisch lösbar. Ich sehe zwei große Herausforderungen: Das angesprochene Thema „Wertschöpfung/Geschäftsmodelle“ und das „Life-Cycle-Management“ unserer Komponenten. Was sind denn tragfähige Geschäftsmodelle hinsichtlich des Services und anderer zusätzlicher Leistungen? Was sind denn die geschäftlichen Möglichkeiten, die wir mit den Daten und den zusätzlichen Informationen bekommen können? Und der zweite Punkt: Was können wir mit Life-Cycle-Management für unsere Komponenten und Systeme erreichen? Leider hören die Ideen meistens mit dem Stichwort schon auf. Wir Fluidtechniker müssen darüber noch gründlich nachdenken. In Ausgabe 3/2016 wird der Bericht über die 109. O+P-Gespräche mit den Themen Inbetriebnahme, Servicekonzepte, Geschäftsmodelle, Anwendungsbeispiele und Standards fortgesetzt. O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 1-2/2016 47

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