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O+P Fluidtechnik 10/2019

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ENERGIEEFFIZIENZ 05 06

ENERGIEEFFIZIENZ 05 06 Beispiel Paketweiche - Bewegte Masse ausfahren: 2,5 kg; einfahren 2,5 kg; Hub: 200 mm; Zeit ausfahren: < 0,5 s; einfahren < 1,0 s; Kraft ausgefahren: 200 N; eingefahren 40 N Demonstratoranlage der Fa. XENON GmbH 4. VALIDIERUNG DER METHODEN Die Validierung und Erprobung der beschriebenen Methoden erfolgte auf zwei verschiedenen Ebenen. Zunächst wurde ein einfaches theoretisches Beispiel mit einer einzelnen Linearachse verwendet, in einem weiteren Schritt erfolgte mit Unterstützung der industriellen Partner die Validierung an konkreten industriellen Anlagen. 4.1 VALIDIERUNG AN EINZELACHSE Das verwendete Beispiel orientiert sich an einer Paketweiche, wie sie z. B. in der Logistik Verwendung finden könnte (Bild05). Gefordert wird das Bewegen einer definierten Masse über einen bestimmten Hub in einer vorgegebenen Maximalzeit sowie das Aufbringen einer Presskraft im Endpunkt der Bewegung. Um die Komplexität der Aufgabe überschaubar zu gestalten, war lediglich ein relativ kleiner Katalog an Komponenten als Bausteine potentieller Lösungen vorgesehen. Insgesamt sollte aus 77 pneumatischen Komponenten und 3 Schaltungen ein optimales Lösungssystem erzeugt werden. Bei den Schaltungen handelte es sich um eine Standardschaltung ohne jegliche Sparmaßnahmen und zwei Sparschaltungen, die an zwei unterschiedlichen Stellen jeweils ein Druckbegrenzungsventil aufweisen. Ein Vergleich der Methoden ergab eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse: So empfehlen bspw. alle drei Verfahren die Anwendung eines Zylinders mit 25 mm Kolbendurchmesser für die vorliegende Aufgabe. Die technisch-mechanischen Ergebnisse lagen in allen drei Fällen ebenfalls nah an den gewünschten Werten. Die Kreuzvalidierung der unterschiedlichen Ansätze gilt daher als gelungen. 4.2 VALIDIERUNG AN DEMONSTRATORANLAGEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG gesucht wird, der den Anforderungen des Kunden am besten entspricht. Je größer die Lösungsbibliothek und je breiter die Merkmalsverteilung der verschiedenen Lösungen ist, desto wahrscheinlicher ist es, eine Lösung mit guter Übereinstimmung von Anforderungen und Merkmalen zu finden. Die Ergebnisse werden daher mit wachsender Datenbank stets verbessert. Ein Nachteil des Verfahrens besteht darin, dass je nach Menge an verfügbaren Komponenten und Schaltungen mitunter sehr viele Kombinationen gebildet werden könnten, was zu einem hohen Aufwand in der Datenverwaltung führen würde. Um dies zu verhindern, muss über geeignete Strategien sichergestellt werden, dass nur sinnvolle Kombinationen gebildet werden. Außerdem sollten Mechanismen implementiert werden, die ein kontinuierliches Bereinigen der Lösungsdatenbank erlauben. Der nächste Validierungsschritt wurde an Anlagen der industriellen Projektpartner KHS GmbH sowie XENON Automatisierungstechnik GmbH durchgeführt. Zu Beginn wurde der Istzustand der Anlagen als Referenz erfasst. Anschließend konnten mit Ergebnissen der beschriebenen Optimierungsmethoden Anlagenkonfigurationen mit verbesserter Energieeffizienz ermittelt werden. Derzeit finden die technische Umsetzung und der Umbau der Anlagen gemäß der erarbeiteten Lösungsvorschläge statt. Der Umrüstung bzw. Neukonzipierung der Demonstratoren soll eine weitere Messung folgen mit dem Zweck, den neuen Anlagenzustand zu erfassen und diesen mit der Referenz zu vergleichen. 4.2.1 NEUKONZIPIERUNG EINER MONTAGEMASCHINE (XENON GMBH) Die ausgewählte Demonstratoranlage der Fa. XENON stellt eine Maschine zur Montage einer speziellen Steckverbindung dar. Sie besteht aus 15 pneumatisch betriebenen Stationen, angesteuert von vier in der Anlagenzelle zentral montierten Ventilinseln, und entspricht in ihrem Aufbau und Funktionsweise einer branchenüblichen pneumatischen Produktionsanlage (Bild06). In erster Linie wurden der Druckverlauf und der Druckluftverbrauch jeder einzelnen Station im Standardbetrieb vermessen. Die Messungen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden systematisch analysiert und daraus das weitere Vorgehen abgeleitet. Mithilfe der erarbeiteten Methoden wurde eine Reihe von Lösungsvorschlägen für verschiedene der vorhandenen Komponenten ausgearbeitet. Hinzu kam die Auswertung der Spareffekte, die mit verschiedenen Energiesparmaßnahmen einhergehen. 50 O+P Fluidtechnik 10/2019

ENERGIEEFFIZIENZ Nach der Gegenüberstellung unterschiedlicher pneumatischer und elektromechanischer Lösungsvorschläge wurden in Abstimmung mit der Firma XENON folgende Maßnahmen festgelegt, die in die Konstruktion der nachfolgenden Produktionsanlage miteinfließen werden. Die Entscheidungen wurden unter bauraumtechnischen und energetisch-kostenspezifischen Gesichtspunkten getroffen. Bei den im Nachfolgenden angegebenen Einsparungen handelt es sich ausschließlich um errechnete Energiekosteneinsparungen. n Die Längen der Schlauchleitungen zwischen den pneumatischen Aktoren werden verkürzt, indem soweit möglich von einem zentralisierten Konzept bei der Platzierung von Ventilinseln abgewichen wird (erwartete Gesamteinsparung ca. 55 € p. a. bei durchschnittlicher Längenreduzierung um 900 mm pro Aktor). Anstatt der Ventilinseln werden an einigen Stellen Einzelventile bzw. Mikroventile verwendet. n Überdimensionierte doppeltwirkende Pneumatikzylinder werden durch bedarfsgerecht ausgelegte einfachwirkende Zylinder ersetzt, sofern dies nicht zur Überschreitung der zulässigen Zykluszeit führt. Dies macht sich schnell in den Kosten bemerkbar: An einem einzelnen Presszylinder mit 50 mm Durchmesser verringern sich die Jahreseinsatzkosten bereits um ca. 45 €. n Ein Großteil des Druckluftverbrauchs der Anlage geht auf Blasund Saugluftanwendungen zurück, z. B. zu Zuführungen von Bauteilen. Die Sparmaßnahmenliste sieht an dieser Stelle den Einsatz mehrerer Volumenstromverstärker vor, die sich den sog. Coandă Effekt zunutze machen. Darüber hinaus wird die Ansteuerungsstrategie von Blasdüsen verändert: Statt konstant eingeschaltet zu sein, wird ihre Einschaltdauer dem Bedarf entsprechend angepasst. Gelingt die Umsetzung dieser Maßnahmen, so können Einsparungen von bis zu 170 € p. a. erzielt werden. n Auch die Gesamtstruktur der Anlage wird verändert. Es werden zwei Druckzonen innerhalb der Anlage vorgesehen: eine Niederdruckzone (Betriebsdruck 3 bar) für reine Bewegungsaufgaben und eine Hochdruckzone für Pressaufgaben. Im letzteren Fall wird darüber hinaus der Betriebsdruck von ursprünglichen 6 bar auf 5 bar gesenkt. Durch die Druckreduzierung sowie die Einteilung in zwei Druckzonen lassen sich jährlich ca. 400 € einsparen. n Ein Ersatz vorhandener pneumatischer Antriebe durch elektromechanische Komponenten hat sich im Laufe der Untersuchung als wirtschaftlich nicht lohnend erwiesen. Auch aufgrund des begrenzten Bauraums in der Anlagenzelle wäre der Einsatz von Elektromechanik kaum möglich gewesen. Zur Bestimmung der Gesamtersparnis dürfen die einzelnen Einsparungen nicht aufsummiert werden, da sich die Maßnahmen teilweise gegenseitig beeinflussen. Insgesamt beläuft sich die erwartete Ersparnis in der gesamten Anlage auf ca. 500 € pro Jahr. Die neue Anlage mit den umzusetzenden Sparkonzepten wird in der letzten Projektphase vermessen, um die Verbesserung der errechneten technischen und wirtschaftlichen Kennzahlen gegenüber ihrem Vorgänger im Detail nachzuweisen. 4.2.2 UMRÜSTUNG EINER SEKTFÜLLANLAGE (KHS GMBH) Die zweite Demonstratoranlage stellte eine besondere Herausforderung dar, da sie eher dem Bereich der Spezialanwendung zuzuordnen ist. Es handelt sich um eine Füllmaschine zur Abfüllung von Sekt mit 192 Füllventilen und einer maximalen Füllleistung von 21 000 Flaschen pro Stunde. Jedes Füllventil wird mit insgesamt sechs pneumatisch betriebenen Aktoren gesteuert, die im Fokus des Projekts stehen. Analog zu der in Abschnitt 4.2.1 beschriebenen Montagemaschine wurden zunächst Messungen durchgeführt, die Aufschluss über den aktuellen Druckluftverbrauch der Anlage geben. Dabei wurden zwei unterschiedliche Produktfüllungen betrachtet, denn die Art des abgefüllten Produkts hat Auswirkungen auf den Füllprozess. Sowohl der Druck der Prozessgase als auch die Anzahl der Schaltvorgänge der Gassteuerzylinder kann unterschiedlich sein, was direkten Einfluss auf den Druckluftvebrauch hat. Basierend auf den entwickelten Auslegungsmethoden wurden Möglichkeiten erarbeitet, um Potenziale zur energetischen Effizienzsteigerung auszuschöpfen. Die verschiedenen pneumatischen und elektromechanischen Aktoren und Optimierungsmöglichkeiten des Gesamtsystems wurden anhand eines zu erwartenden Leistungszuwachses bewertet (bspw. kürzere Abfüllzeiten, höherer Durchsatz). CO2-Einsparungen sowie der prognostizierte Kostenund Energieaufwand flossen ebenfalls in die Bewertung mit ein. Ein einheitlicher Vergleich wurde durch die TCO-Berechnung der Kosten pro Flaschenfüllung vollzogen. Anders als bei der Anlage der Fa. XENON zeigte die Anwendung von elektromechanischen Aktoren im Füllventil insgesamt bessere Ergebnisse, auch hinsichtlich der Freiheitsgrade im Prozessablauf. Daher wird in einer überarbeiteten Version des Füllventils einer der sechs pneumatischen Aktoren durch einen elektromechanischen ersetzt. Zur Verbesserung der restlichen fünf Pneumatik-Aktoren werden ebenfalls verschiedene Maßnahmen umgesetzt, wie z. B. Verkürzung der Schläuche, Druckniveauanpassung bzw. Aktordimensionierung. Durch das gesamte Maßnahmenpaket lassen sich voraussichtlich ca. 550 € pro Jahr an Energiekosten einsparen. 5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Im Laufe des Projekts wurden drei Methoden zur optimierten Auslegung von Automatisierungsaufgaben erarbeitet. Da jede davon unterschiedliche Sichtweise auf die Antriebsauslegung vertritt und ihre eigenen Vor- und Nachteile besitzt, ist ihre Anwendung immer fallspezifisch. Nichtsdestotrotz liefern die Methoden ähnliche Ergebnisse, was vermuten lässt, dass jede der Methoden praxistauglich anwendbar ist. Im nächsten Schritt wäre es denkbar, alle Methoden zu einem gemeinsamen Auslegungsverfahren zu kombinieren, bspw. im Rahmen eines Auslegungstools, sodass die Qualität der Ergebnisse weiter verbessert und die individuellen Nachteile überwunden werden können. Das Forschungsprojekt „EnAP“ leistet eine Vorarbeit für die Entwicklung dieses neuen Werkzeugs zur Auswahl und Optimierung von bedarfsgerecht konzipierten Antrieben. Der Fokus liegt dabei auf der energieeffizienten Erfüllung der Automatisierungsaufgabe und den damit verbundenen Anforderungen. Die Auslegung erfolgt technologieneutral und legt sich nicht prinzipiell auf eine bestimmte Antriebstechnologie fest. 6 FÖRDERUNG Das beschriebene Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie unter den Förderkennzeichen 03ET1385A bis 03ET1385E gefördert. Webseite des Verbundprojektes: https://www.enap-projekt.de/ Fotos: Aufmacher KHS GmbH/Frank Reinold Autoren: Dipl.-Ing. Steffen Hülsmann, M. Sc. Adrian Raisch, M. Eng. Vladimir Boyko, Dr. Jochen Ohrem, Ringo Weichelt, Prof. Dr.-Ing. Jürgen Weber, Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Oliver Sawodny O+P Fluidtechnik 10/2019 51

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