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O+P Fluidtechnik 4/2016

O+P Fluidtechnik 4/2016

ENERGIEEFFIZIENZ

ENERGIEEFFIZIENZ HYDRAULISCHER HYBRID-BAGGER STEAM Milos Vukovic, Roland Leifeld M.Sc. Beim Wettbewerb um den bauma-Innovationspreis 2016 ist der hydraulische Hybrid-Bagger STEAM in der Kategorie Forschung nominiert. Bei dem vom BMBF geförderten Projekt STEAM geht es um einen ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung der Energieeffizienz und der Performance mobiler Arbeitsmaschinen. POINTIERT GANZHEITLICHER ANSATZ ZUR OPTIMIERUNG DER ENERGIEEFFIZIENZ UND PERFORMANCE HYDRAULISCHE VERBRAUCHER VOLLKOM- MEN VON DER VERSORGUNG ENTKOPPELT LEISTUNGSSPITZEN WERDEN MIT HILFE DER SPEICHER GEDECKT SPECIAL / BAUMA Seit Jahren beschäftigen sich zahlreiche Industrieunternehmen und Forschungsstellen mit der Optimierung hydraulischer Systeme für mobile Arbeitsmaschinen. Durch neue hydraulische Architekturen, die weniger Drosselverluste verursachen und Energie zurückgewinnen können, sollte der Kraftstoffverbrauch solcher Maschinen deutlich reduziert werden. Autoren: Dipl.-Ing. Milos Vukovic und M.Sc. Roland Leifeld sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen (IFAS) der RWTH Aachen Dieser Ansatz basiert auf der Annahme, dass eine effizientere Hydraulik zwangsläufig zu einer Senkung des Kraftstoffverbrauchs sowie der Emissionen führt. Allerdings ist dies nicht immer der Fall. Eine Verbesserung des Hydrauliksystems kann unter Umständen zu einer ungünstigen Belastung des Verbrennungsmotors führen und dadurch statt einer Reduzierung sogar eine Erhöhung im Verbrauch verursachen. Um einen wirklich effizienten Antriebsstrang zu entwickeln, muss ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, d. h. die einzelnen Teilsysteme und ihre Interaktion sowohl miteinander als auch mit der Umgebung sind detailliert zu betrachten. 28 O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 4/2016

ENERGIEEFFIZIENZ GANZHEITLICHER ANSATZ Seit Anfang 2013 wird am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen (IFAS) der RWTH Aachen das neue STEAM-Hydrauliksystem für Bagger entwickelt. STEAM steht für Steigerung der Energieeffizienz in der Arbeitshydraulik mobiler Maschinen und ist der erste ganzheitliche Ansatz zur Optimierung der Energieeffizienz und Performance mobiler Arbeitsmaschinen. Der Grundgedanke des Systems ist es, mehrere, einzelne Ansätze zur Effizienzsteigerung zu vereinen. Daher werden sowohl die Verluste der Verbrennungskraftmaschine als auch die Drosselverluste reduziert und gleichzeitig die Energierückgewinnung an allen Antrieben ermöglicht. Anders als in den heutigen Load-Sensing- oder Flow-Control- Systemen werden die Verbrennungskraftmaschine und die Hydraulikpumpe nicht zur direkten Versorgung der hydraulischen Verbraucher, sondern zur Aufrechterhaltung des Drucks in jeweils einem von zwei Speichern (Hochdruck und Mitteldruck) verwendet. Durch diese Speicherladeschaltung sind die hydraulischen Verbraucher vollkommen von der Versorgung (Dieselmotor und Pumpe) entkoppelt. Diese Unabhängigkeit ermöglicht es die einzelnen Teilsysteme zur selben Zeit in ihrem optimalen Wirkungsgradbereich zu betreiben. Durch den Einsatz der hydraulischen Speicher ist lediglich die mittlere Leistung vom Dieselmotor zur Verfügung zu stellen. Erforderliche Leistungsspitzen werden mit Hilfe der Speicher gedeckt. Daher kann der Verbrennungsmotor bei einer deutlich niedrigeren Drehzahl von 1 200 min -1 betrieben werden. Die Drosselverluste im Hydrauliksystem werden mit Hilfe der in Bild 01 dargestellten Schaltung reduziert. Mit Hochdruck (HP), Mitteldruck (MP) und dem schon vorhandenen Tankdruck (TP) ist es mit den Schaltventilen möglich, jede Zylinderseite mit drei verschiedenen Druckniveaus zu verbinden. Hierdurch entstehen neun verschiedene Schaltungen, die auch als künstliche Druckniveaus betrachtet werden können. Abhängig von der aktuellen Last kann mit einer Steuerung genau das Druckniveau ausgewählt werden, das am wenigsten Drosselverluste verursacht. Da die Speicher im System schon integriert sind, können diese auch genutzt werden, um sowohl die potenzielle als auch kinetische Energie aller Verbraucher zurückzugewinnen. Die Maschine kann damit als ein hydraulischer Hybrid bezeichnet werden. HYDRAULISCHE HYBRIDTECHNIK STEAM verwendet keine elektrischen Speicher oder Antriebe. Die in der Maschine bereits vorhandene Hydraulik wird erweitert, um auf diese Weise unnötige Energiewandlungen und Kosten zu vermeiden. Die robuste und wartungsfreundliche hydraulische Hybridtechnik erhöht die Wirtschaftlichkeit für Betreiber, die sich über eine deutlich agilere Maschine mit einer erheblichen Reduzierung im Kraftstoffverbrauch freuen können. Unter Berücksichtigung der sinkenden Energieressourcen und verschärften Abgasrichtlinien ist das System eine für die Praxis relevante und zukunftsweisende Innovation. OBJEKTIVER VERGLEICH Eins der Hauptziele des STEAM-Projekts war die Lücke zwischen Grundlagenforschung und industrieller Anwendung zu schließen. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten VIP-Programms und in Zusammenarbeit mit Volvo Construction Equipment konnte das Konzept anhand eines 18-t-Mobilbaggers nachgewiesen werden. Eine der größten Schwierigkeiten bei der Validierung neuer Systeme stellt die Vergleichbarkeit dar. D. h. wie gut lassen sich die Messungen des neuen Systems mit den Messungen eines Referenzsystems objektiv vergleichen. Unterschiede bei den Verbrennungsmotoren, Pumpen und Rohrleitungen können die Ergebnisse erheblich beeinflussen. Um die Aussagefähigkeit der Messungen und somit deren Akzeptanz zu steigern, wurde ein neuer Ansatz gewählt. Der aufgebaute Prototyp ist einmalig, da, wie in Bild 02 dargestellt, sowohl das neue STEAM- System als auch ein Load-Sensing-Hydrauliksystem, das dem derzeitigen Stand der Technik entspricht, verbaut sind. Nur dies ermöglicht einen objektiven Vergleich, da der Fahrer jetzt die Möglichkeit hat, zwischen den zwei Systemen umzuschalten. Hiermit werden maschinenseitige Störeinflüsse ausgeschlossen, die die Verbrauchsmessungen deutlich verfälschen würden. Jedoch bringt der parallele Aufbau beider Systeme auch Einschränkungen für das STEAM-System mit sich. Auf der Versorgungsseite wird die standardmäßig installierte verstellbare Load- Sensing-Pumpe verwendet. Für das neue System hingegen stellt eine Kombination von zwei Konstanteinheiten mit aufeinander abgestimmten Schluckvolumina die bessere Wahl dar. Auf diese Weise ließen sich beide Druckniveaus bei optimaler Auslastung des Dieselmotors einzeln oder zeitgleich mit vernachlässigbaren Druckverlusten laden. Auf der Abtriebsseite werden sowohl derselbe Drehwerksantrieb als auch dieselben Linearantriebe verwendet. Die eingesetzten Konstantdrucknetze (HD und MD) ergeben erst durch einen verstellbaren Drehwerksmotor in Sekundärregelung einen energieeffizienten Antrieb, welcher auch die Energierückgewinnung begünstigt. Stattdessen wurden die Messungen mit dem ventilgesteuerten Konstantmotor durchgeführt. Des Weiteren bietet eine umfassende Abstimmung der gewählten Druckniveaus und der Flächenverhältnisse der einzelnen Zylinderantriebe noch Raum für Verbesserung. Der reale Aufbau der Maschine mit beiden Systemen ist in Bild 03 gezeigt. 01 STEAM-Schaltung für einen Linearantrieb 02 Schaltplan des Prototyps, sowohl mit einem Load-Sensing- als auch dem STEAM-System O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 4/2016 29

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