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O+P Fluidtechnik 4/2016

O+P Fluidtechnik 4/2016

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG DICHTUNGEN STEIGERUNG DES LEISTUNGS- VERMÖGENS TRANSLATORISCHER DICHTUNGEN DURCH SCHMIERFILM- OPTIMIERUNG IM DICHTSYSTEM Holger Jordan, Dr. Mandy Wilke Die steigenden Anforderungen in dynamischen Anwendungen stellen Dichtsysteme unter den Aspekten Verschleiß und Lebensdauer vor stetig wachsende Herausforderungen, die mit dem Prinzip des Lubrication Managements beherrscht werden können. 70 O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 4/2016

DICHTUNGEN Eine grundsätzliche Herausforderung bei der Abdichtung bewegter Maschinenteile stellt bekanntermaßen Dichtheit und Lebensdauer dar. Mehr und mehr kommt die Effizienzbetrachtung in den Focus, da Dichtstellen in der Regel „Reibstellen“ sind, die den Gesamtwirkungsgrad einer Maschine und damit auch die Gesamtkosten beeinflussen. Die in den Anwendungen auftretende Bandbreite der Anforderungen von Dichtheit, Lebensdauer und Verlustleistung ist groß und variiert meist mit Werkstoff und Design der Dichtung oder der Dichtsysteme. Für die beschriebenen Themen ist aber immer die Reibung eine maßgebliche und zunehmend wichtige Einflussgröße. DAS PRINZIP DES LUBRICATION MANAGEMENTS In den Anwendungen kommen die Einflussgrößen der Dichtungen mit den Einflussgrößen der Hardware zusammen. Der Haupteinflussbereich auf Reibung, Verschleiß und damit Lebensdauer liegt bei den dynamischen Abdichtungen im Dichtspalt. Im Kontaktbereich zwischen Dichtung und Gegenlauffläche hängen die tribologischen Verhältnisse und damit das Reib- und Verschleißverhalten sehr wesentlich von den Schmierbedingungen ab, weshalb eine Optimierung dieser mit Anpassung an die jeweilige Belastung der Einzelelemente grundsätzlich auf der Hand liegt. Das Prinzip des Lubrication Managements denkt diese grundsätzlichen Zusammenhänge einen Schritt weiter und passt die Schmierfilmbildung im Dichtsystem an die Belastung der Einzelelemente an. Um diese zu reduzieren, wird die Schmierfilmqualität optimiert. Betrachtet man die theoretischen Zusammenhänge für die Schmierfilmdicke zwischen Dichtung und Gegenlauffläche, zum Beispiel mit dem inversen hydrodynamischen Ansatz nach Blok [1], ist die Schmierfilmdicke direkt abhängig vom Gradienten der Kontaktpressung. Durch ein Reduzieren des Gradienten beim Ausfahren der Kolbenstange werden der Verlauf und die Höhe des Schmierfilms im Dichtspalt so beeinflusst, dass durch verbesserte Schmierung die Belastung der Dichtung verringert wird. Da bekanntermaßen beim Einfahren der Kolbenstange die Schmierbedingungen für die Stangendichtung nicht einfacher werden, muss das System auch hier einen flachen Gradienten der Kontaktpressung aufweisen. Dichtungssysteme mit hoher Eigenelastizität und demnach geringeren Modul neigen durch Ausformung bei der Druckbelastung zu einem steileren Gradienten, der ein ausreichendes Rückfördern des Schmierfilms verhindert und dadurch die Belastungen für die Stangendichtung erhöht. OPTIMALE SCHMIERUNG Eine übliche Lösung nach Stand der Technik ist die Kombination mit einem Stützelement aus einem Werkstoff mit höherem Modul. Da dieses Stützelement zum Beispiel bei PUR-Buffer-Ringen ebenfalls druckaktiviert wird, entstehen bei den im Kontakt befindlichen Profilkanten des Stützrings wieder Bereiche mit steilem Gradienten der Kontaktpressung und verhindern demnach eine optimale Förderung des Fluidfilms zur belastungsreduzierenden Schmierung. Bei der Verwendung von Stützringen werden bei Lubrication Management die Kanten im Kontaktbereich zur Kolbenstange durch Radien ersetzt. So wird gewährleistet, dass die Gradienten im Kontakt mit der Gegenlauffläche flach verlaufen und eine optimale Schmierung zulassen (Bild 01). Im Verbund eines Stangendichtsystems, beispielsweise für einen hydraulischen Aktuator, wird eine Primärdichtung immer mit 01 Vergleich Dichtung mit herkömmlicher Kontaktpressungsverteilung zu Dichtung mit Lubrication-Management-Konzept dem höchsten Druck beaufschlagt und erfährt somit auch die stärkste Belastung. Wenn nun gleichzeitig extrem dünne Schmierfilme erzeugt werden, kann das System an Leistungsgrenzen gebracht werden, die für Wirkungsgrad, Lebensdauer und Effizienz limitierender Faktor sind. Mit einem verbesserten Schmierfilmangebot an der hochbelasteten Primärdichtung, die ein integriertes Rückschlagventil aufweist, kann die Leistungsgrenze in Bezug auf Reibung und damit Verschleiß, Lebensdauer und Effizienz deutlich verschoben werden. Bei Einsatz von Lubrication Management wird die Primärdichtung besser geschmiert und zusätzlich der Sekundärdichtung ein optimierter Schmierfilm angeboten, so dass insgesamt eine Reduzierung der Belastung des gesamten Dichtsystems, also Primär und Sekundärdichtung, sogar bei gesteigerten Betriebsparametern in der Anwendung erreicht wird. EINSATZGRENZEN DEUTLICH ERWEITERT Durch Lubrication Management werden die sich aus Belastung, Reibung, Verschleiß und damit Lebensdauer ergebenden Einsatzgrenzen deutlich erweitert. Mit FEM wurden die grundlegenden Zusammenhänge ermittelt und dann versuchstechnisch abgeglichen und belegt. Um die Besonderheiten der Einflussgrößen im Tribosystem besser beurteilen zu können, werden unterschiedliche Prüfstände mit entsprechender Variation der Prüfparameter verwendet. VERSCHLEISSUNTERSUCHUNGEN Reibung wird bei unterschiedlichen PxV-Werten gemessen, Verschleiß bei anspruchsvollen Lastkollektiven wie zum Beispiel Temperatur, Geschwindigkeit und Druck beurteilt. Eine Bewertung der Stangenoberflächenveränderungen erfolgt im Besonderen bei Kurzhub- und Hochfrequenzbeaufschlagung der Stangenbewegung bis 50 Hz (± 0,5 mm). Bild 02 zeigt die Versuchsparameter und den Prüfstand für die Verschleißuntersuchungen. Bei Betrachtung des Verschleißes der Dichtungen, der unter anderem über den Vorspannungsverlust (W-Maß-Änderung) bestimmt werden kann, werden die Vorteile sehr deutlich. Bild 03 zeigt die Profile der Dichtungen im Vergleich. Der Vorspannungsverlust der Primärdichtung konnte mittels der verringerten Belastung O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 4/2016 71

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