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O+P Fluidtechnik 5/2016

O+P Fluidtechnik 5/2016

SIMULATION FORSCHUNG UND

SIMULATION FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED SIMULATION DER DYNAMIK EINER GASBLASE ZUR UNTERSUCHUNG DES DIESEL- EFFEKTS IN HYDRAULISCHEN SYSTEMEN Dr.-Ing. Katharina Schmitz, Filipp M. Kratschun M.Sc., Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hubertus Murrenhoff, Die Systembedingungen, die zum Auftreten des Diesel-Effekts, also dem Entzünden von Gasblasen, führen, sind bislang nicht genau bekannt. Einflussgrößen sind jedoch die Druckanstiegsgeschwindigkeit, die Zusammensetzung des Öldampf-Luft-Gemisches und das Temperaturniveau in der Blase. Im Rahmen dieser Veröffentlichung wird ein Simulationsmodell präsentiert, welches die genannten Parameter berechnet und damit auf die Wahrscheinlichkeit der Blasenentzündung schlussfolgern lässt. 68 O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 5/2016

SIMULATION 1 EINLEITUNG Steigende Anforderungen an Leistung und Dynamik hydraulischer Systeme stellen immer höhere Ansprüche an die Komponenten. Eine Folge dieser Steigerung ist das Auftreten des Diesel-Effekts im hydraulischen Druckmedium, welcher die Selbstzündung eines Luft-Öldampf-Gemisches unter Zufuhr von Kompressionsarbeit bezeichnet [Mur12]. Im Niederdruckbereich hydraulischer Anlagen kann es zum Auftreten von Luftblasen kommen. Diese können bedingt sein durch Ansaugen von Luft aus der Umgebung oder durch Ausgasen von gelöster Luft aufgrund eines geringen statischen Drucks. Gelangen diese Blasen in ein Gebiet mit höherem Druck, werden sie komprimiert und die Temperatur erhöht sich durch die zugeführte Kompressionsarbeit. Erreicht die Temperatur ein bestimmtes Niveau, kann eine Selbstzündung der im Öldampf enthaltenden Kohlenwasserstoffe mit dem Luftsauerstoff auftreten. Hieraus resultieren eine schlagartige Erhitzung des umgebenden Fluids und eine starke lokale Druckerhöhung. Insbesondere an Dichtelementen mit häufigen Wechseln des Druckniveaus kann verstärkt der Diesel-Effekt auftreten. Zündet eine Blase in der Nähe einer Kunststoffdichtung, wird diese lokal verbrannt, die Dichtung versprödet und wird undicht. Dies wiederrum führt zu einem verstärkten Blaseneintrag in das Hydrauliksystem, bei starker Druckabsenkung unter den Umgebungsdruck, wodurch sich das Auftreten des Diesel-Effekts verstärkt. Durch die Verbrennung bilden sich zudem Rußpartikel welche das Hydrauliköl trüben und die Eigenschaften negativ beeinflussen. Da das Auftreten des Diesel-Effekts von vielen Faktoren abhängig ist und diese analytisch nicht beschreibbar sind, wird im Folgenden ein Simulationsmodell vorgestellt, welches in der Lage ist, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Diesel-Effekts in einer ruhenden Blase unter den eingestellten Randbedingungen abzuschätzen. Ziel des Modells ist nicht die zeitaufwändige exakte Abbildung der physikalischen Vorgänge auf molekularer Ebene: Der Fokus liegt auf dem Einsatz in der Praxis, sodass insbesondere die Einfachheit der einzustellenden Randbedingungen sowie eine kurze Rechenzeit die Modellierung vorgeben. Hierdurch soll dem Ingenieur die Möglichkeit gegeben werden, schnell und einfach abschätzen zu können, ob in dem Anwendungsfall mit einem Auftreten des Diesel-Effekts gerechnet werden muss und Gegenmaßnahmen vorgesehen werden sollten. Um diese komplexe Problematik vereinfacht darzustellen, werden Annahmen und Vereinfachungen getroffen, die im Folgenden beschrieben werden. Die damit entstehenden Gleichungen zur Modellierung der Dynamik und Thermodynamik einer Gasblase sowie der umgebenden Flüssigkeit werden vorgestellt, in Matlab implementiert, miteinander gekoppelt und gelöst. Die Ergebnisse des Modells werden abschließend mit experimentell ermittelten Daten aus der Literatur verglichen und die Anwendbarkeit dieses vereinfachten Modells gezeigt. 2 PARAMETER ZUM AUFTRETEN DES DIESEL- EFFEKTS Damit der Diesel-Effekt in hydraulischen Systemen auftreten kann, muss sich eine Luftblase im System befinden. Diese kann mikroskopisch klein, mit bloßem Auge unsichtbar, als Blasenkeim vorliegen. Blasenkeime finden sich in allen hydraulischen Fluiden, werden bereits im Herstellungsprozess in das Fluid eingebracht und lassen sich auch mit feinen Filtern nicht aus dem Öl entfernen. Da Moleküle in einer Flüssigkeit immer das Bestreben haben in den gasförmigen Zustand zu wechseln, stellt sich ein thermodynamisches Gleichgewicht zwischen flüssig vorliegendem Öl und dampfförmigem Öldampf in der Blase ein. Eine Luftblase besteht somit immer aus einem Gasgemisch bestehend aus Luft und Öldampf. Der Druck in der Blase entspricht gemäß dem Raoultschen Gesetz der Summe aus den Partialdrücken der Luft und des Öldampfes [Luc08], siehe Bild 02-1. 02-1 Schematische Darstellung der verschiedenen Kavitationsarten Durch eine Verringerung des statischen Drucks in dem die Blase umgebenden Fluid, kann eine solche Blase aufgrund von Kavitation anwachsen, wobei zwischen verschiedenen Kavitationsarten unterschieden werden muss. Diese sind in Bild 02-1 schematisch dargestellt. Im Ausgangszustand mit einem Flüssigkeitsdruck p 1 besteht die Blase aus einer Masse Luft m L,1 und Dampf m D,1 . Sinkt der Druck in der Flüssigkeit auf einen Druck p 2 , verringert sich die Dichte der Blase und der Durchmesser der Blase wächst bei konstanter Masse an. Dieser Vorgang ist als Pseudokavitation bekannt. Unterschreitet der Druck p 2 den Gleichgewichtsdruck findet Gaskavitation statt. Hierbei wird im Öl gelöste Luft desorbiert und die Masse der gasförmigen Luft in der Blase nimmt zu. Wird der Sättigungsdampfdruck der Flüssigkeit unterschritten, verdampft ein Teil des Öls und es findet Dampfkavitation statt. Im Gegensatz zur Pseudokavitation und Dampfkavitation, die innerhalb von Millisekunden stattfinden, wird bei der Gaskavitation in einem ruhenden Fluid Zeit im Bereich von Minuten zu Stunden zur Desorption der Luft aus dem Öl benötigt [Sra15]. In hydraulischen Systemen, in denen schnelle Druckwechsel auftreten, kann daher die Gaskavitation vernachlässigt werden. Damit eine Selbstzündung innerhalb der Blase einsetzen kann, muss die Temperatur des Gemisches ein bestimmtes Niveau überschreiten. Dieses ist abhängig von der Art des Öls. Für Hydrauliköle beträgt die Grenze ca. 320 °C. Durch die Kompression einer Blase vergrößert sich die Temperatur gemäß dem idealen Gasgesetz. Aufgrund der gleichzeitigen Abfuhr von Wärme kann die Zustandsänderung allerdings zwischen einer adiabater Änderung, d. h. ohne Wärmeabfuhr, und einer isothermen Änderung, d. h. alle Wärme wird abgeführt und die Temperatur in der Blase bleibt konstant, variieren. Die sich einstellende Temperatur bzw. der sich einstellende Druck kann mit der polytropen Zustandsänderung [Mur06] beschrieben werden, wobei der Polytropenexponent die Art der Zustandsänderung berücksichtig. Dieser nimmt für Luft Werte zwischen 1 und 1,4 je nach Zustandsänderung an. Zusätzlich muss die Temperatur in der Blase über eine bestimmte Zeit gehalten werden, damit eine Selbstzündung einsetzt. Diese Zündverzugszeit variiert mit dem Brennstoff, den Stoffeigenschaften und der Temperatur. Für eine Zündung ist zudem die Zusammensetzung innerhalb der Blase von entscheidender Bedeutung. Nur bei einem bestimmten Verhältnis aus Luftmolekülen und Molekülen des zündfähigen Gases ist eine Verbrennung möglich. Dieses Luftverhältnis ist abhängig von der Reaktionsgleichung der stöchiometrischen Verbrennung des Öls. Des Weiteren muss das Öl eine gewisse Zündwilligkeit aufweisen, welche durch die Cetan-Zahl beschrieben werden kann. Diese Größe ist jedoch für Hydrauliköl nicht verfügbar und muss experimentell ermittelt werden. O+P – Ölhydraulik und Pneumatik 5/2016 69

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