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O+P Fluidtechnik 5/2017

O+P Fluidtechnik 5/2017

INTERVIEW HYDRAULIK VON

INTERVIEW HYDRAULIK VON DAMALS BIS HEUTE: VON LEARNING-BY-DOING ZU SYSTEMLÖSUNGEN SPECIAL / 60 JAHRE O+P Herr Dr. Dieter, vor 1957 gab es zwar schon die Hydraulik, aber kaum Fachliteratur und keine spezielle Fachzeitschrift. Wo konnten sich Interessierte informieren? Wie war die Situation zu dieser Zeit? Dr. Werner Dieter ist ein Urgestein der internationalen Hydraulik- Gemeinschaft. 1952 begann er seine Karriere bei der Robert Bosch GmbH. 1960 wechselte er zu Rexroth, wo er wenige Jahre später zum Geschäftsführer aufstieg. 1963 war er Mitbegründer der HYDAC, bei der er heute noch – im Alter von 87 Jahren – als Vorsitzender des Beirats aktiv ist. Bei einer solchen Biografie liegt es nahe mit Herrn Dr. Dieter über die vegangenen sechs Dekaden Hydraulik zu sprechen. Es gab bereits ein Buch, verfasst von den Herren Dürr und Wachter, das auf der Erfahrung im Werkzeugmaschinenbau aufbaute. Ich habe 1960 auf Anregung von Herrn Otto Krausskopf (damals Verleger der O+P, Anmerkung der Red.) die Öl-Hydraulik-Fibel in Zusammenarbeit mit Herrn Herbert Wittholz (Redakteur der Erstausgabe der O+P, die Red.) verfasst. Kurz darauf erschien das eher akademisch ausgerichtete Buch von Kaimovic. Auch dieses fußte auf den Erfahrungen des Werkzeugmaschinenbaus. Ansonsten war es viel Learning-by-doing. Wir schauten uns bestehende Lösungen an und versuchten abzuleiten, was man besser machen könnte. 30 O+P Fluidtechnik 5/2017

INTERVIEW Was verbesserte sich für die Branche Hydraulik und ihre Anwender ab 1957 durch das regelmäßige Erscheinen der O+P Fluidtechnik? Lassen Sie uns zurückblicken. Wie gestaltete sich die Hydraulikbranche vor 60 Jahren – oder sogar darüber hinaus? Bereits von Anfang an haben Sie Wert darauf gelegt, Entwicklungs- und Forschungsthemen mit Anwendungsaspekten zu verknüpfen. Dabei spielt die Anwendung sinnvollerweise eine gewichtigere Rolle. Dieses Rezept führt O+P seither konsequent fort und diese Mischung bewerte ich sehr positiv. Anwendungstechnik und spezielle Lösungen, die man für seine eigenen Zwecke nutzen kann – darüber muss berichtet werden. Und das tut die O+P. Ihr Fachmagazin ist ein Spiegel der Branche, der über aktuellste Entwicklungen informiert. Oft kommt es vor, dass man beim Lesen auf Projekte von Wettbewerbern stößt und dann in die Diskussion mit der eigenen Mannschaft einsteigt. Das halte ich für sehr nützlich und diese Bündelung an Fachinformation kann auch das Internet nicht ersetzen. In Deutschland gab es vor dem Zweiten Weltkrieg bereits eine Hydraulikfertigung, z. B. durch Firmen wie Jahns Regulatoren im Pumpenbau. Während des Krieges hatte Siemens Hydraulik für den Flugzeugbau entwickelt und produziert. Als wir damals begannen, schauten wir uns diese Siemens-Zahnradpumpen an und überlegten uns, was wir daraus lernen konnten. Nach 1945 kamen die Restriktionen und es gab eine Entwicklungspause. Der Marshallplan brachte dann die Hydraulik aus den USA nach Europa. In dieser Zeit übernahmen amerikanische Unternehmen den Markt, z. B. Denison, Racine und Vickers. Anwendungsseitig benötigten damals vor allem der Werkzeugmaschinenbau, wie z. B. die Firma Heller, und die Landtechnik hydraulische Komponenten. Amerikanische Maschinenhersteller ließen sich in Europa nieder und brachten amerikanische Pumpen mit. Sie verlangten von den deutschen Herstellern, dass wir uns diese anschauen und weiterentwickeln. So entstand ein Bedarf mit ausreichenden Stückzahlen, der den Aufbau der Hydraulik-Industrie in Deutschland förderte. Dabei darf man die Innovationskraft der damaligen Zeit nicht vergessen. In diesen Jahren versuchten viele deutsche Hersteller in die Branche einzusteigen. Jeder hatte seine eigene Idee und wollte es besser machen als die amerikanischen Vorbilder. Das waren damals viele kleine Unternehmen, besonders hervorzuheben sind Kracht, Rexroth, Herion und Hawe aus Deutschland, Sigma in Frankreich sowie Dowty und Towler in England. Gab es damals schon so etwas wie einheitliche Standards? Welche weiteren Meilensteine gab es in den vergangenen 60 Jahren in der deutschen Hydraulik-Industrie? Nicht offiziell. Die standardisierten amerikanischen Anschlussmaße waren quasi die Norm. Und als die europäischen Hersteller sich entschieden, diese Maße zu übernehmen, war das der Durchbruch zu einer höheren Fertigungsbreite mit nochmals höheren Stückzahlen. Damit kam die erste Internationalisierung, man konnte auch ins Ausland in breiterer Form liefern. Die Flexibilität für die Maschinenhersteller stieg, so erschloss man sich neue Absatzmärkte. Durch diese Standardisierung sowie Weiterentwicklungen bei Zahnrad- und Kolbenpumpen sowie Steuerungskomponenten konnten die deutschen Unternehmen den Markt international auf breiter Front angreifen und ihre Position in der Hydraulik ausbauen. Die amerikanischen Hersteller haben diese Entwicklung ein Stück weit unterschätzt und waren sich ihrer Position vielleicht zu sicher. Die deutschen Hersteller haben ihre Ventilwerte damals signifikant verbessert, sowohl in Sachen Druck als auch hinsichtlich der generellen Leistungsfähigkeit. Über diese Entwicklung hat sich die deutsche Industrie zunächst die führende Position auf dem europäischen und später auch auf dem Weltmarkt aufgebaut. Technisch war der Einstieg in die Proportional-Technik von großer Bedeutung. Dort hatte die deutsche Industrie einen Vorsprung gegenüber ausländischen Herstellern und wir sicherten uns in der Konsequenz einen großen Teil des Weltmarkts. In den 1960er und 1970er Jahren begann der Schritt der deutschen Hydraulik ins Ausland. Zunächst errichteten wir Vertriebsgesellschaften, danach folgten Montage und schließlich auch Fertigung. Heute übernehmen die deutschen Hydraulik-Hersteller eine internationale Führungsrolle. DIE INNOVATIONSKRAFT IN DEN NACHKRIEGS- JAHREN WAR ENORM. JEDER HATTE SEINE EIGENE IDEE UND WOLLTE ES BESSER MACHEN ALS DIE AMERIKANISCHEN VORBILDER. O+P Fluidtechnik 5/2017 31

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