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O+P Fluidtechnik 5/2017

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TRADITIONSUNTERNEHMEN

TRADITIONSUNTERNEHMEN Eine dreimalige Anzeigenschlatung in der "Oelhydraulik und Pneumatik" erbrachte Arnold Menshen und seinem Partner den ersehnten Branchenerfolg der Schelle SPECIAL / 60 JAHRE O+P POINTIERT VOM DREHER ZUM HERSTELLER VON ROHRLEI- TUNGSKOMPONENTEN UND HYDRAULIKZUBEHÖR ARNOLD MENSHEN UND GÜNTER LINDEMANN GLAUBTEN AN ERFOLG DER SCHELLE STAUFF-SCHELLEN: SEIT ÜBER 50 JAHREN ALS UNIVERSELLER STANDARD ETABLIERT SCHNELLE, EINFACHE UND GLEICHZEITIG SICHERE BEFESTIGUNG Eines Tages stand Günter Lindemann, Ingenieur und Leiter der Montage-Abteilung bei Kracht, vor einem technisch unlösbar erscheinenden Problem. Kracht hatte gerade bei einem Kunden eine große Hydraulik-Station mit Elektroventilen fertig gestellt und bekam die Anlage vom Kunden nicht abgenommen, weil sie zu laut war. Die Ursache war bekannt: Die Elektroventile schlossen bei Betrieb mit einem Ruck und dieser Rückschlag verursachte erhebliche Vibrationen in den Hochdruckleitungen. Die Vibrationen wurden über die Leitungen übertragen und machten laute Geräusche. Sie rappelten. Viele Versuche waren schon fehlgeschlagen. Man hatte zum Beispiel auch bei der Bundesmarine mit Schellen aus „Pockholz“ – das ist besonders getränktes Holz – herum experimentiert. Kracht bekam die Sache jedoch nicht in den Griff und Günter Lindemann war ratlos. „Aber es muss doch einen Weg geben, um die Hochdruckleitungen ruhig zu stellen“, sagte er sich und ließ nicht locker. Dann kam er auf die Idee, es doch einmal mit diesem „dämlichen Kunststoffzeug“ zu versuchen. Er besorgte sich Kunststoffplatten, ließ sie bei Kracht in Streifen schneiden und daraus Schellen fertigen. Sie wurden installiert und - die Wirkung war eine Ungeheurere! Die neuen Schellen erfüllten zu seiner großen Freude ihren Zweck, die Anlage wurde abgenommen. Günter Lindemann war von diesem Erfolg so begeistert, dass er diese Idee unbedingt weiter entwickeln wollte. Er ging zu seinem Chef Otto Kracht und sagte, dass er einen Verbesserungsvorschlag habe. Mein Schwiegervater zeigte sich zunächst interessiert und gab seinem Ingenieur Gelegenheit, den Vorschlag darzustellen und seine Wirkung zu erläutern. Die Entscheidung meines Schwiegervaters war für ihn jedoch niederschmetternd. Er sah Günter mitleidig an und sagte: „Herr Lindemann, was reden sie da? Wir machen Pumpen, Zylinder, Ventile, aber doch nicht so einen Blödsinn! Gehen sie aber mal zu meinem Schwiegersohn, der macht alles Mögliche, vielleicht macht der das.“ Daraufhin rief mich Günter Lindemann an und wir trafen uns in meinem Büro bei Stauffenberg. Ich weiß noch heute genau wo wir saßen, was wir besprochen haben und wann die Entscheidung fiel. Zunächst erklärte er mir alle technischen Einzelheiten und immer wieder fragte ich nach, bis ich beim dritten Mal alles verstanden hatte. Ich teilte seine Begeisterung und vertraute ihm. Aber hatte ich auch den Mut? Ich hatte das Gefühl, dass seine Idee Erfolg haben würde. 44 O+P Fluidtechnik 5/2017

TRADITIONSUNTERNEHMEN Mein Entschluss stand fest: „Günter, weißt du was, ich mache es. Was bekommst du dafür?“ Er nannte mir die Summe, die er sich für diesen „Verbesserungsvorschlag“ erhofft hatte und ich erklärte mich einverstanden. Ich hatte aber eine Bedingung, dass er dabei bliebe und wir die Kunststoff-Schellen gemeinsam entwickelten. Mein neuer „Partner“ warnte mich und sagte: „Arnold, überleg es dir gut, da musst du aber viel Geld zur Hand nehmen,“ und erläuternd fügte er hinzu: „Die Formen kosten richtiges Geld. Jede einzelne Form kostet je nach Größe zwischen Zwanzigtausend bis Vierzigtausend Mark.“ Es war also eine riesige Investition zu tätigen. Natürlich wusste zu diesem Zeitpunkt keiner von uns beiden, was sich später daraus entwickeln sollte – aber die faszinierende Erfolgsgeschichte der Stauff-Schelle hatte mit seiner Idee und mit meinem unternehmerischen Spürsinn in diesem Moment begonnen. Das war ungefähr vor 40 Jahren. Wir ließen uns also von den finanziellen Dingen nicht negativ beeinflussen und starteten die Entwicklung. Wir arbeiteten mit Formenbauern und Kunststoffspritzern zusammen und das Ergebnis war die Produktion von Standardschellen bis 42 mm entsprechend den Rohren von Standardserien bis 42 mm Durchmesser. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass die damals von Günter Lindemann eingeführten Baugruppen- Bezeichnungen für die Stauff-Schellen heute noch gelten. Diese Bezeichnungen sind so mit dem Produkt verwurzelt und haben sich bei den Kunden so stark eingeprägt, dass später unsere Konkurrenz, nachdem sie unsere Schellen „abgekupfert“ hatte, auch die Baugruppen-Bezeichnungen 1:1 kopierte. Unsere Erwartungen und Hoffnungen auf Großaufträge erfüllten sich jedoch erst einmal nicht. Bei hohen Investitionen war der erste Jahresumsatz gering, das nächste Jahr brachte zumindest 18 000 DM, aber es plätscherte nur so dahin. Wir waren uns dennoch sicher. Das Produkt war nicht nur gut, sondern bahnbrechend. Technisch gesehen lagen einfache Tatbestände zu Grunde. Das Problem aller Metallschellen zur Befestigung von Hochdruckleitungen war die Tatsache, dass sie mit der Zeit locker wurden. Große Unternehmen unterhielten noch in den Sechziger-Jahren Schellen-Kolonnen, nämlich Arbeiter, deren einzige Aufgabe es war, locker gewordene Metall-Schellen wieder fest zu schrauben. Dieses Problem konnte mit einem Schlag mit unseren Schellen aus der Welt geschafft werden. Die Hochdruckleitungen, die mit Schellen aus Kunststoff befestigt wurden, waren langfristig fixiert und ruhig gestellt. Ich war fest überzeugt, dass wir mit unseren Schellen – wenn erst mal die Hydraulikbranche deren Nutzen erkannt hatte – den Markt erobern würden. Dazu musste das Produkt weiträumig bekannt gemacht werden und ich entschloss mich zu der ersten großen Werbeaktion. Ich hatte noch 25 000 DM gespart – die wollte ich jetzt einsetzen. In der „Ölhydraulik und Pneumatik“ inserierten wir gleich drei oder vier Mal hintereinander. Das war sehr kostspielig und die durch den bisher fehlenden Erfolg kritisch und skeptisch gewordenen Mitarbeiter im Büro unserer kleinen Firma waren wenig begeistert. Der Originalton von Frau Cappel, Büroleiterin, lautete: „Der spinnt! Er wirft das gute Geld dem schlechten hinterher!“ Aber die Aktion stellte sich als richtig heraus. Nach der ersten Werbung bekamen wir bereits rund 700 Anfragen. Da hatten wir unsere potentiellen Kunden! Jede Anfrage wurde beantwortet und jeder Auftrag, ob groß oder klein, wurde möglichst am gleichen Tag erledigt. Der Durchbruch kam dennoch nicht über Nacht. Von den sogenannten „Hydraulikfachleuten“ wurden wir zunächst noch belächelt. Es galt jetzt, die Anwender vor Ort, die Meister, Monteure und WIR WÜRDEN MIT UNSEREN SCHELLEN DEN MARKT EROBERN, WENN DIE HYDRAULIK- BRANCHE DEREN NUTZEN ERST ERKANNT HAT- TE. DAHER INSERIERTEN WIR IN DER "ÖLHYD- RAULIK UND PNEUMATIK" GLEICH DREIMAL Techniker zu überzeugen – dort wo die Probleme auftraten. Diese Leute wurden meine Verbündeten. Sobald ich hörte, dass technische Lösungen gesucht wurden bzw. Interesse an unseren Schellen bestand, habe ich diese Kunden besucht und Überzeugungsarbeit geleistet. Oft traf ich zunächst auf Zurückhaltung – die Leute wussten nicht so genau, was sie von unserer „Errungenschaft“ halten sollten. Es kam oft auf eine Demonstration an. Also krempelte ich die Ärmel hoch, nahm den Schweißapparat und zeigte, wie es gemacht wird. „So einfach ist das und es funktioniert auch“, sagte ich. Mit meiner eigenen Begeisterung und Überzeugung für das Produkt erreichte ich das Fachpersonal in den Betrieben. Die Facharbeiter konnten mir auch sagen, was sie zur Lösung des einen oder anderen Problems benötigten. Zum Beispiel verlängerte Schellenplatten oder zwei Platten nebeneinander zum besseren Anschweißen, oder Aufbauschrauben doppelt übereinander gehend – diese ganzen Angaben kamen von den Monteuren mit ihren Erfahrungen. Wenn ich nach Hause kam, habe ich zu unseren Mitarbeitern gesagt, dass wir das so und so machen müssten, denn so würde es draußen benötigt. Die Monteure in den Betrieben haben mir sehr geholfen, dass wir so praxisnah entwickeln und fertigen konnten. Ihre Kenntnisse und Erfahrungen habe ich mir zu Nutze gemacht und so ist praktisch das Programm nach und nach zustande gekommen. Das Produkt wurde also keinesfalls in der Theorie entwickelt, sondern durch die Bedürfnisse aus der täglichen Arbeit vor Ort. […] www.stauff.com DIE STAUFF-SCHELLE 1970er: Die erste Anwenundgszeichnung der Schelle Original Stauff Schellen gelten branchen- und anwendungsübergreifend als universeller Standard zur schnellen, einfachen und gleichzeitig sicheren Befestigung von Rohren, Schläuchen, Kabeln und anderen starren und flexiblen Leitungen und Bauteilen mit Außendurchmessern von 6 mm bis 1 m. Ihre besonders vibrations- und schalldämpfenden Eigenschaften werden als wichtiger Beitrag zum vorbeugenden Umwelt- und Arbeitsschutz gewertet. O+P Fluidtechnik 5/2017 45

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