STEUERUNGEN UND REGELUNGEN GETRENNTE STEUERKANTEN AN MOBILMASCHINEN: ENTWICKLUNGSPROZESS UND KONZEPTVALIDIERUNG Jan Lübbert, Jürgen Weber Steuerungssysteme mit getrennten Steuerkanten sind eine attraktive Alternative zu konventionellen Ventilsystemen mit gekoppelten Kanten. Auf der in den vorangegangenen Beiträgen dieser Reihe aufgebauten Systematik der Schaltungen und Betriebsmodi, sowie Identifikation der energetischen und funktionalen Vorteile wird in diesem Beitrag eine Herangehensweise zur applikationsspezifischen Ableitung eines geeigneten Ventilsystems und der dazugehörigen Steuerung für eine Mobilanwendung am Beispiel eines Kompaktbaggers vorgestellt. Simulationen und Versuche an einem Laborprüfstand zeigen abhängig von Bewegungsablauf und Betriebszustand energetische Einsparungen von 20 bis über 50 % gegenüber einem vergleichbar dimensionierten konventionellen Stromteilersystem. FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Bild: arsdigital/Fotolia.de 32 O+P Fluidtechnik 5/2018
STEUERUNGEN UND REGELUNGEN 1. EINLEITUNG Im Bereich mobiler Arbeitsmaschinen rücken Ventilsysteme mit getrennten Steuerkanten (GSK) zunehmend in den Fokus von Forschung und Entwicklung. Einerseits wird dies durch das steigende Umweltbewusstsein motiviert, da neue Wege gefunden werden müssen, die Energieeffizienz mobiler Maschinen zu verbessern. Andererseits machen die umfangreiche Funktionsvielfalt und konstruktive Vorteile bezüglich der Ventilauslegung – wie z. B. das Vermeiden der Kompromissauslegung von Zulauf- und Ablaufkante – Systeme mit getrennten Steuerkanten zu einer attraktiven Alternative zum konventionellen Schieberventil mit gekoppelten Kanten. Auf funktionaler Ebene ist beispielsweise eine Lastkompensation bei Senkbewegungen mit getrennten Steuerkanten einfach realisierbar. Auch Kraftsteuerungen oder adaptierbares Bedienverhalten sind möglich. Diesen Vorteilen stehen jedoch der erhöhte Komponenten- und Kostenaufwand, sowie die vergleichsweise hohe Systemkomplexität entgegen. Um den Komponentenaufwand zu begrenzen sollen für eine Mobilapplikation marktetablierte Massenprodukte zum Einsatz kommen. Der Vielfalt an möglichen Struktur- und Steuerungslösungen im Bereich getrennter Steuerkanten wird mit einem gezielten Entwicklungsprozess begegnet, mit dessen Hilfe sich eine maßgeschneiderte Lösung für die betrachtete Applikation ableiten lässt. 1.1 AUFBAU DES ARTIKELS Zunächst wird am Beispiel eines Kompaktbaggers aufgezeigt, wie sich aus einer betrachteten Anwendung ein passendes Hydrauliksystem mit getrennten Steuerkanten ableiten lässt. Dieses bildet die Basis für die Entwicklung einer Ansteuerungsstrategie, die die funktionalen und energetischen Vorteile der GSK-Ventiltechnologie für bedienergeführte Prozesse zugänglich macht. Dabei wird auf die Teilaspekte zentrale Betriebsstrategie, Achsmanagement mit 01 3 y TCP [m] 1 0 Einsatzfall und Potentialanalyse 1. Einsatzfall Entleerbereich TCP Grabbereich – 1 0 1 x TCP [m] 3 NM NM+HD-R NM+HD-R-SC+ND-R-SC Alle Modi 2. Lastzyklen definieren Ausleger Stiel Löffel 100 F F [kN] v v [mm/s] – 50 – 100 – 150 0 5 t [s] 15 3. Potenzialanalyse 100 % 84 % 76 % 4. Rangfolge Betriebsmodi 75 % lastadaptiver Kantenabstimmung und Volumenstromregeneration, sowie die Steuerung der zentralen Versorgung eingegangen. Es schließt sich die Validierung des Konzeptes an einem Baggerarm-Laborprüfstand an. Der Beitrag wird mit einem energetischen Vergleich zwischen dem neuen GSK-System und einem ähnlich dimensionierten konventionellen Stromteilersystem am Prüfstand und in der nichtlinearen Systemsimulation abgerundet. 2. APPLIKATIONSANALYSE UND ABLEITUNG DER HARDWARE Die Philosophie der getrennten Steuerkanten bietet sehr vielfältige Möglichkeiten, verschiedene Betriebsmodi mit unterschiedlichen Ventilsystemen zu realisieren. Im Folgenden wird eine Vorgehensweise zur Entwicklung eines geeigneten Ventilsystems beschrieben, welche auf gegebenen Lastzyklen basiert, die das Einsatzspektrum der betrachteten Maschine repräsentieren. 2.1 APPLIKATIONS- UND POTENTIALANALYSE Anfangs erfolgt eine Analyse des Einsatzspektrums der betrachteten Maschine; also eine Betrachtung der für die Maschine typischen Lastspiele in Form von Kraft- und Geschwindigkeitsverläufen. Diese können mithilfe von Feldmessungen gewonnen oder synthetisiert werden. Für das betrachtete Beispiel des Kompaktbaggers wird ein typischer Grabzyklus definiert (Bild 1 links oben). Mithilfe von Bewegungsabläufen nach [Mel92], kinematischer Modelle der Arbeitsausrüstung und Grabkraftmodellen, angelehnt an [Kun02], lassen sich die gesuchten Kraft-Geschwindigkeitsprofile für die einzelnen Verbraucher bestimmen (Bild 1 rechts). Auf Basis dieser Größen, der als bekannt vorausgesetzten Zylindergeometrien und Annahmen über die Leitwerte der Strömungspfade eines zunächst angenommenen allgemeinen GSK-Ventilsystems erfolgt eine Analyse des energetischen Einsparpotentials der verschiedenen im Übersichtsartikel beschriebenen Betriebsmodi (Normalbetrieb NM, Hochdruckregeneration über den Hochdruckkanal HD-R, zusätzlich Hochdruckregeneration über einen Kurzschlusspfad HD-R-SC, Niederdruckregeneration über Tank ND-R oder alternativ über den Kurzschlusspfad ND-R- SC) mithilfe der in [Kol16] beschriebenen Methodik. Dieser Algorithmus ermittelt für jeden Simulationszeitpunkt die im Sinne minimaler Pumpenleistung optimale Kombination der Betriebsmodi für alle beteiligten Achsen. Dabei werden relevante statische Randbedingungen, wie z.B. Minimal- und Maximaldrücke, Druckabfälle über den Ventilsteuerkanten, sowie zugelassene Betriebsmodi berücksichtigt. Letzteres bietet die Möglichkeit, durch systematisches Erlauben und Verbieten von Modi – gegebenenfalls individuell für jede einzelne Achse – und die Wiederholung der Analyse optimale Kombinationen einzelner Betriebsmodi zu ermitteln, wenn aus wirtschaftlichen Gründen nicht alle theoretisch möglichen Verschaltungen implementiert werden sollen. Die daraus resultierenden Ergebnisse sind auszugsweise in Bild 1 unten dargestellt. O+P Fluidtechnik 5/2018 33
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