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O+P Fluidtechnik 6/2018

O+P Fluidtechnik 6/2018

FORSCHUNG UND

FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG STEUERUNGEN UND REGELUNGEN GETRENNTE STEUERKANTEN FÜR DEN EINSATZ IN STATIONÄR- HYDRAULISCHEN ANTRIEBEN Giacomo Kolks, Jürgen Weber Ventilgesteuerte Zylinderantriebe mit getrennten Steuerkanten bieten aufgrund ihrer Flexibilität energetische und funktionale Potentiale gegenüber herkömmlicher Ventiltechnik. Der Betrieb im geschlossenen Regelkreis zur exakten Positionierung oder Aufprägung von Kräften stellt hohe Anforderungen an die Ventilstruktur, an die Steuerung und Regelung der Antriebe. Dieser Beitrag bietet Lösungsansätze für eine Steuerungsstruktur, die in der Lage ist, die energetischen Potentiale getrennter Steuerkanten bei präziser Positionsregelung zu heben. Dazu werden eine übergeordnete Steuerungsstruktur sowie eine Mehrgrößenregelung vorgestellt, die das Umschalten zwischen unterschiedlichen Betriebsmodi während der Bewegung erlaubt, ohne einen signifikanten Einfluss auf das Folgeverhalten der Achse zu haben. Durch die Umsetzung des Arbeitsspiels einer Universalprüfmaschine und weitere Testszenarien am Versuchsstand werden die Ansteuerungsstrategien validiert. 42 O+P Fluidtechnik 6/2018

STEUERUNGEN UND REGELUNGEN 1. EINLEITUNG Ventilgesteuerte hydraulische Zylinderantriebe im geschlossenen Regelkreis werden in vielen Anwendungen eingesetzt, in denen große Kräfte bei hoher Präzision zu steuern sind, wie beispielsweise in Kunststoff-Spritzgießmaschinen, Pressen, Materialprüfmaschinen oder Großmanipulatoren. Geringe Investitionskosten stellen einen großen Vorteil konventioneller, ventilgesteuerter Zylinderantriebe dar, wohingegen sie aufgrund prinzipbedingter Energieverluste an den Steuerkanten nur eine geringe Energieeffizienz aufweisen. Neben lastgerechter Druckversorgung in Kombination mit herkömmlicher Ventiltechnik oder der Verdrängersteuerung stellen getrennte Steuerkanten (GSK) einen Ansatz zur Verbesserung der Energieeffizienz hydraulischer Antriebe dar. So kann durch unterschiedliche Regenerationsmodi der erforderliche Pumpenvolumenstrom reduziert und durch auf die Last abgestimmtes Öffnungsverhältnis von Zu- und Rücklaufkante der erforderliche Versorgungsdruck reduziert werden, insbesondere bei Teillast oder unterstützenden 1 Lasten. Diese Aspekte stellt Eriksson in seiner Dissertation umfangreich dar [1]. In vorangehenden Teilen dieser Themenreihe wurden Strukturvarianten zur Hebung dieser Potentiale ausführlich diskutiert (O+P 03/2018) und der Aspekt Sicherheit beleuchtet (O+P 04/2018). In O+P 05/2018 wurden Strukturen für mobile Anwendungen in der offenen Steuerkette erarbeitet und Effizienzvergleiche mit handelsüblichen Ventilen angestellt. Demgegenüber ist der Schwerpunkt dieses abschließenden Artikels die Beherrschung der Achse mit getrennten Steuerkanten im geschlossenen Regelkreis. Dabei wird Wert auf eine gute Trajektorienfolge der Zylinderposition gelegt, die das positionsgeregelte Lasthalten im Stillstand explizit mit einschließt. Es wird eine gesamtheitliche Steuerungsstruktur vorgestellt, die autonom den energieeffizientesten Betriebsmodus detektiert und störungsfreie Umschaltvorgänge durchführt. Eine unterlagerte Mehrgrößen regelung zur exakten Folge der Sollposition und eines kompatiblen Zylinderdruckniveaus bildet die Grundlage der Ansteuerungs strategie. 2. SYSTEMSTRUKTUR Geht man methodisch von einem herkömmlichen 4/3-Wege- Ventilschieber aus und trennt gedanklich dessen mechanisch gekoppelte Steuerkanten, so liegt eine Ventilkonfiguration bestehend aus vier proportionalen 2/2-Wegeventilen nahe. Für derartige Konfigurationen ging die Forschung in der Vergangenheit Fragestellungen der mobil-hydraulischen Systeme mit hydraulisch- mechanischer Lastkompensation [1, 2], der regelungstechnischen Beherrschung und Nutzbarmachung der erhöhten Freiheitsgrade [3–5] und der Erhöhung der Energieeffizienz durch Schaltmodi [2, 5, 6] nach. Untersuchungen zu Ventilstrukturen führten Sitte und Beck mit dem Fokus auf wirtschaftlich-technische Umsetzbarkeit in mobilen Anwendungen durch [7]. Mit dem Ziel der Reduktion des Komponentenaufwandes wurden Ventilstrukturen entwickelt, die eine möglichst geringe Anzahl proportional verstellbarer Ventile für die Anforderungen einer Baggerausrüstung mit umschaltbaren Betriebsmodi aufweist. Den Extremfall nur einer proportionalen Steuerkante je Verbraucher stellt [8] dar. Diese Systemvarianten mit reduziertem kontinuierlichen Freiheitsgrad haben gemein, dass sowohl für das Umschalten zwischen Regenerationsmodi als auch für das Wechseln der Bewegungsrichtung die Betätigung mindestens eines Schaltventils erforderlich ist, was für ein hydraulisches System im Allgemeinen eine Diskontinuität darstellt. Insbesondere für das stationäre, geregelte Lasthalten bieten mehrere kontinuierliche Freiheitsgrade entscheidende Vorteile. Beispielhaft ist in Bild 01 eine aufgelöste Struktur mit zwei kontinuierlichen Freiheitsgraden einer aufgelösten Struktur mit einem 1 auch: ziehende oder negative Lasten: Last, die dem Aktor Energie zuführt, durch Beaufschlagung mit Kraft in Bewegungsrichtung kontinuierlichen Freiheitsgrad für einen Verdrängerraum gegenübergestellt. Im Fall des dargestellten Systems mit nur einem kontinuierlichen Freiheitsgrad (a) ist bei stationärem Lasthalten mit x ̇ = 0 die Druck-Signalverstärkung unendlich: ∂pA K p γ = →∞ (1) ∂ γ Bezogen auf die Positionierung unter variabler Last ergibt dies, abgesehen von den Diskontinuitäten durch Betätigung des Schaltventils VS, ein schlecht gedämpftes Streckenverhalten und extrem hohe Anforderungen an die Auflösung des Proportionalventils VP. Demgegenüber kann mit zwei kontinuierlichen Freiheitsgraden (b) eine flexible hydraulische Vollbrücke je Verdrängerraum realisiert werden, deren Verstärkung und Leckagevolumenstrom einstellbar sind. Dies steht in Analogie zur negativen Überdeckung eines herkömmlichen 4/3-Wege-Proportionalventils. Zur Hebung des regelungstechnischen und energetischen Potentials wird eine Struktur zugrunde gelegt, welche sämtliche in der Literatur beschriebenen, kontinuierlichen Freiheitsgrade aufweist, siehe Bild 02 (a). Neben den vier 2/2-Wegeventilen zwischen Tank bzw. Versorgung und den Verdrängerräumen wird ein weiteres sogenanntes Kurzschlussventil zur direkten Regeneration von Volumenströmen zwischen den beiden Verdrängerräumen des eingesetzten Differentialzylinders vorgesehen. Dieses hat gegenüber der Systemstruktur ohne Kurzschlussventil zwei Vorteile: Erstens erweitert es den Betriebsbereich effizienter Regenerationsmodi [9] und zweitens ermöglicht es schnellere und einfachere Moduswechsel. 3. BETRIEBSMODI Technisch sinnvolle Betriebsmodi werden in Bild 02 (b) entsprechend [9] dargestellt. Alle genannten Betriebsmodi weisen Betriebsgrenzen bezüglich des anliegenden Versorgungsdrucks, der Last und der geforderten Kolbengeschwindigkeit auf. Ein Betriebsmodus ist genau dann prinzipiell durchführbar, wenn die geforderte Geschwindigkeit ẋ bei gegebener Lastkraft F L und gegebenem Nenndurchfluss der eingesetzten Ventile erreicht werden kann. Die Durchführbarkeit eines Modus wird anhand stationärer Betrachtungen mit den Kontinuitätsgleichungen ẋ ⋅ AA = Q1 + Q2 −Q3 (2) ẋ ⋅ A = Q −Q −Q (3) B 3 4 5 dem Kräftegleichgewicht F = A ⋅ p L A L p = p −α ⋅ p L A B (4) (5) und als turbulent angenommener Ventildurchströmung mit der Volumenstrombegrenzung ΔpV QV = B( γ ) ⋅ ΔpV ≤ Bmax ⋅ Δ pV = QNenn ⋅ (6) (5) Δp bestimmt, wobei γ den relativen Öffnungsgrad eines Ventils und Δp V die Druckdifferenz am Ventil bezeichnet. Mit diesen Zusammenhängen lassen sich für Systeme mit aufgeprägtem Druck theoretische Effizienzgewinne gemäß den Kennfeldern in Bild 03 ermitteln. Dargestellt sind der Effizienzgrad P ε = P mit GSK hyd konv hyd P p Q Nenn (7) (6) hyd = 0 ⋅ 0 (8) (7) über spezifischer Geschwindigkeit und spezifischer Lastkraft sowie die Betriebsbereiche der jeweils effizientesten Schaltmodi. O+P Fluidtechnik 6/2018 43

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