Aufrufe
vor 7 Jahren

O+P Fluidtechnik 7-8/2016

O+P Fluidtechnik 7-8/2016

STEUERUNGEN UND

STEUERUNGEN UND REGELUNGEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED REDUKTION VON BREMSKRAFT- SCHWANKUNGEN MITHILFE EINER SELBSTVERSTÄRKENDEN ELEKTRO-HYDRAULISCHEN BREMSE Dipl.-Ing. Matthias Petry, Dr.-Ing. Olivier Reinertz, Univ. Prof. Dr.-Ing. Hubertus Murrenhoff Reibkraftinduzierte Schwingungen des Bremsmomentes von Scheibenbremssystemen stellen eine relevante Thematik bezüglich Bremskomfort und Sicherheitsaspekten dar. Mithilfe der Selbstverstärkenden Elektro-Hydraulischen Bremse (SEHB) ist es möglich, diese Schwingungen aktiv zu kompensieren. Dabei sind sowohl für konstante Drehzahlen als auch während Geschwindigkeitsrampen Schwingungsreduktionen von bis zu 86 % möglich. 46 O+PFluidtechnik 7-8/2016

STEUERUNGEN UND REGELUNGEN 1 EINLEITUNG Bremsmomentschwingungen werden sowohl von dynamischen Änderungen des Reibungskoeffizienten zwischen Bremsscheibe und Bremsbelägen als auch durch Schwankungen des Kontaktdruckes zwischen diesen verursacht. Als wesentliche Anregungsmechanismen können reversible Verformungen der Bremsscheibe und permanente Dickenschwankungen identifiziert werden. Übliche Maßnahmen zur Minimierung von Bremsmomentschwingungen sind das Einhalten sehr enger Toleranzen und Lüftspiele bei der Fertigung und Montage der Bremssysteme sowie die empirische Optimierung durch systematische Variation von Bremsbelagsmaterialien und Systemsteifigkeiten [Bit06]. Entsprechend provozieren diese passiven Maßnahmen Kosten und Entwicklungsaufwand. Im Gegensatz dazu bietet die aktive Ausregelung der Bremskraftschwankungen mithilfe des Stellsystems der Bremse eine vielversprechende Alternative. So konnte unter Verwendung eines Prototyps einer elektromechanischen KFZ-Bremse und der notwendigen zusätzlichen Erfassung von Bremsmoment und Bremsscheibenposition eine nennenswerte Reduktion von Bremskraftschwankungen erreicht werden [Lee12]. Ein alternativer Ansatz ist die Verwendung einer Selbstverstärkenden Elektro-Hydraulischen Bremse (SEHB) wie sie am Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen (IFAS) der RWTH Aachen entwickelt wurde [Lie08, Ewa11]. Mit ihrer Eigenschaft der direkten Regelung des Bremsmomentes und der mit einer Bremsdruckerfassung möglichen Bestimmung des momentanen Reibungskoeffizienten zwischen Bremsscheibe und Bremsbelägen soll eine Strategie entwickelt werden, mit der die aktive Reduktion auftretender Bremskraftschwankungen durchgeführt werden kann. Dazu wird zunächst der für diese Arbeit im Fokus stehende Schwingungstyp der Bremskraftschwankungen vorgestellt, welcher am Prüfstand einer SEHB für Schienenfahrzeuge am IFAS beobachtet werden kann. Nach der folgenden Erläuterung des Funktionsprinzips der Bremsmoment-geregelten SEHB befasst sich Abschnitt 2 mit den Auswirkungen des Mechanismus der Selbstverstärkung als Rückkopplung auf die Schwingungseigenschaften des Bremssystems. In Abschnitt 3 wird die Weiterentwicklung einer Strategie zur aktiven Kompensation der auftretenden Bremskraftschwankungen beschrieben und die Wirksamkeit anhand von Simulationsergebnissen gezeigt. 1.1 BREMSKRAFTSCHWANKUNGEN Durch Bremskraftschwankungen verursachte Effekte lassen sich in ihrer Art der Anregung und ihren typischerweise auftretenden Frequenzbereichen unterscheiden (Bild 01-01). Während hochfrequente Effekte wie das Bremsenquietschen vor allem den Komfort während des Bremsvorgangs beeinflussen, werden bei Auftreten des Bremsenrubbelns mechanische Schwingungen spürbar weitergeleitet und können sicherheitsrelevant sein. So können im PKW- Bereich bremskraftinduzierte Schwingungen durch die Lenkeinheit bis zum Fahrer geleitet werden und diesen beeinflussen [Sar09]. Im Bahnbereich kann Bremsenrubbeln neben den Beeinträchtigungen im Komfort auch zur Verringerung der Bremsperformance sowie zu erhöhtem Verschleiß und zur Beschädigung von Komponenten wie den Bremsscheiben führen [Pan05]. Maßgebliche Ursache des Bremsenrubbelns ist eine zyklische Änderung der Normalkraft zwischen Bremsscheibe und Bremsbelägen, wie sie durch Deformationen der Bremsscheibe oder durch ungleichmäßigen Verschleiß auf den Reibflächen verursacht wird. Bild 01-02 zeigt die Messergebnisse des irreversiblen Bremsscheibenschlages der am Prüfstand des IFAS eingesetzten Wellenbremsscheibe eines Personenzuges mit einem Scheibendurchmesser d BS = 640 mm. Deutlich zu erkennen ist ein beidseitig maximaler Scheibenschlag mit einer Höhe von etwa 150 μm, der mit 01-01 Einordnung typischer Schwingungstypen von Bremssystemen [Wal99] 01-02 Gemessener Bremsscheibenschlag und Dickenschwankung (DTV) der am IFAS-Prüfstand eingesetzten Wellenbremsscheibe einer Welligkeit 1. Ordnung über dem Drehwinkel erscheint. Betrachtet man zudem die Differenz der Oberflächenwelligkeiten beider Seiten, erhält man eine Aussage über die Dickenschwankungen der Bremsscheibe (engl. disc thickness variation, DTV), welche im vorliegenden Fall mit 9 bis 10 Überhöhungen geringer Amplitude auftreten. Neben dieser dauerhaften Verformung kann es bei Betrieb der Bremse aufgrund von thermo-mechanischen Lasten zur weiteren Ausprägung von Verformungen auch höherer Ordnung kommen [Lam15]. Die Welligkeiten der Bremsscheibenreibflächen erzeugen Schwingungen der Bremskraft mit drehzahlproportionalen Frequenzen und verursachen somit den Bremsenrubbeleffekt. Beispielhaft zeigt Bild 01-03 die gemessenen Verläufe der dynamischen Anteile der Bremskraft bei zwei verschiedenen konstanten Drehzahlen und die Amplituden der jeweiligen Fast-Fourier-Transformationen (FFT). Deutlich sind die Hauptanregungsfrequenzen als 1. Ordnung der Rotationsgeschwindigkeit zu erkennen (2 Hz / 120 min -1 bzw. 3 Hz / 180 min -1 ). Drehzahlproportionale Schwingungen höherer Ordnungen, insbesondere der 9. oder 10. Ordnung entsprechend der gemessenen DTV, O+PFluidtechnik 7-8/2016 47

© 2023 by Vereinigte Fachverlage GmbH. Alle Rechte vorbehalten.