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O+P Fluidtechnik 7-8/2016

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STEUERUNGEN UND

STEUERUNGEN UND REGELUNGEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG PEER REVIEWED Tabelle 3-1 zeigt die erreichten Kompensationsgrade R bei verschiedenen Drehzahlen. Mit zunehmender Geschwindigkeit nimmt die mögliche Schwingungskompensation deutlich ab. Im Vergleich zum System mit Verwendung des einfachen P-Reglers erhöht sich der durchschnittliche Volumenstrombedarf Q V durch die zusätzliche Bremskraftrückführung signifikant. Dies führt unter Beachtung des zurückgelegten Initialhubes beim erforderlichen Bremskraftaufbau zu verkürzten maximalen Bremsdauern t Br,max . Tabelle 3-1: Parameter der Reduktion von Bremskraftschwingungen bei verschiedenen Drehzahlen n [min -1 ] R [-] Q V [ml/min] t Br,max [s] 60 0,86 48,40 47,46 300 0,67 125,92 18,24 600 0,07 256,98 8,94 Im Folgenden wird der in der Praxis eher auftretende Fall einer Geschwindigkeitsabnahme durch ein aufgeprägtes Bremsmoment betrachtet. Für die vereinfachte Annahme, dass auf das betrachtete Bremssystem auf gerader Strecke nur die im Fahrzeug gespeicherte Energie und das anliegende Bremsmoment wirken, gilt Gl. 3-3. Dabei berücksichtigen J red die auf die Bremsscheibe reduzierte Trägheit bzw. m red die entsprechend anteilige Masse des Fahrzeugs und d Rad den Raddurchmesser. Mit der Annahme einer auf die Bremsscheibe reduzierten Fahrzeugmasse von m red = 3,2 t ergibt sich zusammen mit einem Raddurchmesser d Rad = 0,89 m die nach Gl. 3-4 ermittelte Verzögerungsrate bei einem konstanten Bremsmoment von M BR = 1 000 Nm. Die aus dieser Verzögerungsrate resultierende Drehzahlrampe mit einer Startdrehzahl von n = 300 min -1 ist in Bild 03-04 dargestellt. Der erreichte Kompensationsgrad R steigt wie zu erwarten mit abfallender Drehzahl an. Einzig im Bereich von etwa 150 bis 110 min -1 kann ein leicht geringerer Kompensationsgrad beobachtet werden. Grund für dieses Verhalten ist der bei niedrigen 03-01 Regelkonzept mit zusätzlicher Aufschaltung eines von der Bremskraftänderungsrate abhängigen Signals y Drehzahlen stärker wirkende Einfluss des Regelfaktors K P im System ohne zusätzliche Rückführung der Bremskraft, d. h. die Schwingungen werden durch den Regler in diesem Drehzahlbereich bereits gemindert, noch stärker als es in Bild 03-03 für die Drehzahl n = 60 min -1 zu sehen ist. Deutlich zu erkennen ist der durch die Schwingungskompensation benötigte erhöhte Volumenstrombedarf anhand des zurückgelegten Abstützzylinderhubes h AZ . Bei einer Bremsung ohne Schwingungskompensation wird ein Gesamthub von etwa 9,2 mm zum Erreichen der Zieldrehzahl von n = 60 min -1 benötigt. Während damit noch etwa 83 % des Maximalhubes als Reserve verbleiben, wird mit den gewählten Parametern der zusätzlichen Schwingungskompensation nahezu das gesamte zur Verfügung stehende Ölvolumen des Abstützzylinders aufgebraucht, so dass für eine sichere Funktion die gemeinsame Steuerung mehrerer Bremsen notwendig ist. Zur Vermeidung dieses Aufwands kann alternativ eine längere mögliche Bremsdauer durch Wahl eines geringeren Verstärkungsfaktors K erzielt werden. Damit einhergehend sinkt allerdings die erreichbare Kompensationsrate R. Des Weiteren wäre eine zukünftige zusätzliche Volumenstromversorgung mit geringer Leistung zur Aufrechterhaltung des Versorgungsdruckes p 0 denkbar. Für den oben beschriebenen Fall betrüge 03-02 Übertragungsverhalten G 0 (s) der Zuspannung von Ventilstellsignal y zur Zuspann- bzw. Anpresskraft F N im Bodediagramm 52 O+PFluidtechnik 7-8/2016

STEUERUNGEN UND REGELUNGEN die erforderliche Leistung bei einem Maximalvolumenstrom Q V,max = 235 ml/min und einem Versorgungsdruck p 0 = 38 bar etwa P V = 15 W. 4 ZUSAMMENFASSUNG / AUSBLICK Reibkraftinduzierte Schwingungen des Bremsmomentes eines Scheibenbremssystems stellen eine relevante Thematik bezüglich Bremskomfort und Sicherheitsaspekten dar. Mithilfe der Selbstverstärkenden Elektro-Hydraulischen Bremse ist es möglich, diese Schwingungen aktiv zu kompensieren. Dazu wurde in diesem Artikel zunächst die Erweiterung eines bestehenden Simulationsmodells zur Schwingungskompensation auf Basis der am IFAS entwickelten SEHB hinsichtlich des Mechanismus der Selbstverstärkung vorgestellt und mit Messdaten validiert. Das Schließen des Kreises der Selbstverstärkung und die damit verbundene Wiedereinkopplung der reibkraftinduzierten Druckschwankungen des Abstützzylinders führt zu keiner Beeinträchtigung im Zuspann- und Schwingungsverhalten der Bremse. Im Gegensatz zur mit einem konstanten Versorgungsdruck betriebenen Bremse ist die maximal mögliche Bremsdauer der SEHB begrenzt und zeigt eine Abhängigkeit von der durch die Fahrzeuggeschwindigkeit aufgeprägten Störgröße Bremsscheibenschlag. Dessen Einfluss auf die beobachteten Bremskraftschwankungen kann durch eine differenzierende Rückführung des Bremskraftsignals sowohl für konstante Drehzahlen als auch für definierte Geschwindigkeitsrampen um bis zu 86 % reduziert werden. Dabei muss eine weitere Verkürzung der maximal möglichen Bremsdauer aufgrund eines erhöhten Volumenstrombedarfs in Kauf genommen werden. An diese Problemstellung anknüpfend ist eine Erforschung der Möglichkeit zum Ausgleich des benötigten Fluidverbrauchs während der Regelphase erstrebenswert. Die geringe benötigte Leistungsaufnahme ermöglicht die Umsetzung einer autark wirkenden Lösung kompakter Bauweise. Daneben ist die Konzeptionierung eines hydraulisch-mechanischen Bremsmomentreglers mit der Möglichkeit zur aktiven Unterdrückung von reibkraftinduzierten Schwingungen aufgrund hoher Robustheit und niedriger Kosten für eine erfolgreiche Umsetzung in die Praxis vielversprechend. Die hier veröffentlichten Ergebnisse wurden im Rahmen des durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts „Selbstverstärkende Elektro-Hydraulische Bremse“ (MU 1225/34-3) erarbeitet. Die Autoren bedanken sich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Förderung. 03-03 Bremskraftschwingungen ohne (blau) und mit (rot) zusätzlicher Rückführung der Bremskraftaufbau-Geschwindigkeit bei n = 60 min -1 , 300 min -1 und 600 min -1 Autoren: Dipl.-Ing. Matthias Petry, Dr.-Ing. Olivier Reinertz, Univ. Prof. Dr.-Ing. Hubertus Murrenhoff, Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen der RWTH Aachen University Literaturverzeichnis: [Bit06] Bittner, C.: Reduzierung des Bremsenrubbelns bei Kraftfahrzeugen durch Optimierung der Fahrwerksauslegung, Dissertation, TU München, 2006 [Bre12] Breuer, B., Bill, K.H.: Bremsenhandbuch – Grundlagen, Komponenten, Systeme, Fahrdynamik, 4. Auflage, Springer, Wiesbaden, 2012 [Ewa11] Ewald, J.: Selbstverstärkende Elektro-Hydraulische Bremse (SEHB) für Schienenfahrzeuge, Dissertation, RWTH Aachen, Shaker Verlag 2011, ISBN: 978-3-8440-0261-4 [Lam15] Lamjahdy, A., Hirtz, M., et. Al.: Simulation of thermal gradients on hot bands of disc brakes, FISITA EuroBrake Conference, Dresden, 2015 [Lee12] Lee, C., Manzie, C.: Adaptive Brake Torque Variation Compensation for an Electromechanical Brake, SAE International Journal of Passenger Cars Electronic and Electrical Systems 5(2):2012, S. 600-606 [Lie08] Liermann, M.: Self-energizing Electro-Hydraulic Brake (SEHB), Dissertation, RWTH Aachen, Shaker Verlag 2008, ISBN: 978-3-8322-7599-0 [Mur12] Murrenhoff, H.: Servohydraulik – Geregelte hydraulische Antriebe, 4. Auflage, Shaker, Aachen, 2012 [Pan05] Panier, S., Dufrènoy, P., Brunel, J.F., Weichert, D.: Progressive Waviness Distortion: a New Approach of Hot Spotting in Disc Brakes, Journal of Thermal Stresses 28, 2005, S. 47-62 [Pet16] Petry, M., Reinertz, O., Murrenhoff, H.: Development of a Simulation Model of a Self-Energizing Hydraulic Brake to Actively Compensate Brake 03-04 Kompensationsgrad und Hub des Abstützzylinders während einer Drehzahlrampe Torque Oscillations, 10. Internationales Fluidtechnisches Kolloquium (IFK), Dresden, 2016 [Sar09] Sardá, A. H.: Wirkungskette der Entstehung von Hotspots und Heißrubbeln in PKW-Scheibenbremsen, Dissertation, TU Darmstadt, 2009 [Wal99] Wallaschek, J., Hach, K. H., Stolz, U., Mody, P.: A survey of the present state of friction modelling in the analytical and numerical investigation of brake noise generation, ASME Vibration Conference, Las Vegas, USA, 1999 O+PFluidtechnik 7-8/2016 53

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