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O+P Fluidtechnik 7-8/2016

O+P Fluidtechnik 7-8/2016

FORSCHUNGSDIALOG STEAM

FORSCHUNGSDIALOG STEAM wurde von mehreren Fahrern getestet. Wie fiel deren Fazit aus? Faß: Unsere Fahrer waren zunächst sehr überrascht, sowohl von der verminderten Lautstärke, bedingt durch die geringere Belastung des Dieselmotors, als auch vom Ansprechverhalten des STEAM-Systems. Load Sensing ist Stand der Technik und arbeitet bereits schnell – das System hat eine gewisse Latenz. Es dauert ein paar Millisekunden bis die Pumpe ausgeschwenkt ist. Diese Latenz haben die Fahrer im Gefühl und dies entspricht ihren Erfahrungen. STEAM spricht sofort an. Der hydraulische Speicher öffnet sich und die Leistung steht sofort bereit, resultierend in einer höheren Arbeitsgeschwindigkeit. Dieser Aspekt in Verbindung mit dem niedrigeren Arbeits geräusch hat bei unseren Fahrern zunächst für Skepsis gesorgt, da es nicht ihren Bediengewohnheiten entsprach. Wir betreiben bei unseren Serienmaschinen einen sehr hohen Entwicklungs- und Zeitaufwand, um die optimale Benutzererfahrung zu kreieren. Herr Leifeld und Herr Vukovic haben das System für unsere Fahrer innerhalb von zwei Wochen bei uns in Konz abgestimmt. Das war eine großartige Leistung mit der niemand gerechnet hat. Murrenhoff: Das Geheimnis der schnellen Umsetzung liegt in der Software. Die Optimierung des Ansprechverhaltens geschah auf dem Wege der Programmierung. Nur auf diese Weise konnte die Bedienung so rasch den Gewohnheiten der Fahrer angeglichen werden und letztlich sogar die Produktivität der Maschine und der Fahrer gesteigert werden. Das ist ein hervorragendes Beispiel für das Potenzial dieser Technik. Man hat nur noch eine Basismaschine und die Anpassung geschieht digital. Der Verzicht auf den Hardware-Eingriff ist ein ganz entscheidender Vorteil. Vukovic: Anfangs waren die Fahrer mit STEAM langsamer, obwohl ihnen durch die Speicher mehr Leistung zur Verfügung stand. Dies lag an der Abstimmung der Geschwindigkeiten der einzelnen Antriebe untereinander. Über die Software haben wir das System den Erfahrungswerten der Maschinenführer angeglichen und letztlich waren sie mit STEAM schneller als mit dem Load-Sensing-System. Dies ist nur möglich wenn sich die Fahrer mit dem Verhalten des neuen Systems wohlfühlen. Welches Potenzial sehen Sie für ein umfassendes Folgeprojekt, in dem man jede Komponente individuell optimieren könnte? Faß: Um ein Potenzial benennen zu können, müssen zunächst die beiden Punkte genannt werden, die momentan noch suboptimal gelöst sind. Der Verbrennungsmotor ist nicht für die Drehzahlen des STEAM- Systems ausgelegt. In unserer Volvo-Serienmaschine betreiben wir diesen bei deutlich höheren Drehzahlen von 1500 bis 1800 min -1 . STEAM betreibt den Motor bei ca. 1200 min -1 . An dieser Stelle liegt noch einiges Potenzial brach – das haben auch die Untersuchungen am IFAS gezeigt. Die zweite Schwachstelle stellen die Rohrbruchventile dar. Auch dort gehen einige kW verloren. Murrenhoff: Die Fortführung eines solchen Projektes ist nur sinnvoll, wenn man auf einem weißen Blatt Papier startet und alle Komponenten von Beginn an optimal auf das Gesamtsystem auslegt. Auf diese Weise könnte das System optimal zusammenwachsen und ein Demonstrator entstehen, der das volle Potenzial von STEAM ausschöpft. Meiner Meinung nach wäre ein Verbundprojekt mit dem Ziel, eine derartige Demonstrator-Maschine aufzubauen, der logische nächste Schritt für STEAM. FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Vukovic: Es ist noch einiges an Potenzial vorhanden: Die Energierückgewinnung am Ausleger ist noch nicht optimal umgesetzt, aufgrund der Druckverlusten an den Rohrbruchsicherungen und den Schlauchleitungen. Zudem ist der Dieselmotor nicht auf unser Leistungsprofil ausgelegt. Aufgrund des parallelen Aufbaus – STEAM und Load Sensing auf derselben Maschine – mussten wir darüber hinaus den beengten Bauraum möglichst gut ausnutzen und teilweise sehr kompakte Komponenten einbauen, die jedoch nicht für unsere Anwendung optimiert waren. Ich glaube, dass für bestimmte Anwendungen Einsparungen bis zu 50 % umsetzbar wären. Für eine Serienumsetzung liegen die Potenziale ein wenig niedriger, da alle Eventualitäten in der Auslegung bedacht werden müssen. Faß: Ein Mobilbagger ist eine Art Schweizer Taschenmesser: sehr flexibel, für viele verschiedene Anwendungen einsetzbar. In den seltensten Fällen wird ein Mobilbagger immer dieselbe Aufgabe durchführen, wie z.B. Dig and Dump. Man muss in der Auslegung einer Serienmaschine immer den bestmöglichen Kompromiss finden. Dennoch finde ich die Idee eines Demonstrators hochinteressant. Es wäre sicherlich von großem Interesse, eine volloptimierte Maschine zu konstruieren, die das gesamte Einsparungspotenzial aufzeigt. Von diesen Erkenntnissen profitieren wir als Partnerunternehmen, da wir Teilaspekte für unsere Serienmaschinen ableiten können. Dies haben wir auch bei STEAM getan. Mager: Für ein Folgeprojekt wäre meiner Meinung nach die weitere systematische Abstimmung der Einzelkomponenten aufeinander unter Einbindung des Verbrennungsmotors sehr interessant. Vielleicht gibt es ja sinnvolle Möglichkeiten, das Motormanagement auf verschiedene Arbeitssituationen hin flexibel anzupassen? Auch wäre es interessant, die Auslegung der Zylinderdurchmesser funktionsübergreifend im Hinblick auf die Gesamtenergieeffizienz zu betrachten. Ein hoher Energiebedarf entsteht durch die Lüfterantriebe für die Kühler. In Baumaschinen werden diese Lüfterantriebe heutzutage üblicherweise hydraulisch realisiert, um unter anderem eine gute Regelbarkeit zu erzielen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, auch in diesem Bereich potenzielle Einsparmöglichkeiten zu ermitteln, die aus einer Gesamtbetrachtung der unterschiedlichen Arbeitssituationen heraus entstehen können. 58 O+PFluidtechnik 7-8/2016

FORSCHUNGSDIALOG Welche Themen würden Sie aufgreifen, wenn Sie ein Folgeprojekt nach ihren Wünschen gestalten dürften? Faß: Mich persönlich würde interessieren, wie hoch die Effizienzgewinne mit am Markt verfügbarer Technik ausfallen können – ein Projekt, das bis an die Grenzen des heute Machbaren geht, immer mit dem Blick auf das Gesamtsystem. Meiner Meinung nach geht der Trend für OEMs in diese Richtung. Wir müssen ganzheitlich denken. Ob der Bagger der Zukunft nach diesem Erkenntnisgewinn immer noch so aussehen würde wie heute, das bleibt abzuwarten. Feld: Ich würde gerne eine Maschine sehen, die ausschließlich für das STEAM-Konzept konzipiert wurde und im Anschluss einen intensiven Vergleichstest zur konventionellen Maschinen durchführen. Heemskerk: Mir wäre es wichtig, Interesse für die Komponenten zu wecken, die einen hohen Entwicklungsaufwand mit sich bringen, wie z. B. Schnellschaltventile. Hier können wir als etablierter Konzern einen Mehrwert schaffen, gerade im Vergleich zu konventionellen Anbietern, die lediglich günstige Standardkomponenten anbieten. Wie von Herrn Faß angesprochen erzeugen die heutigen Rohrbruchsicherungen Prinzip-bedingte Verluste. Hierzu gibt es bei Bosch Rexroth neue Entwicklungen, die wir bei einem Folgeprojekt mit einbringen würden. Mager: Ganz wichtig wäre uns, dass in einem Folgeprojekt Experten aus der klassischen Hydraulik und auch aus der Verbrennungsmotorentechnik beteiligt sind. Hierdurch wird eine Zusammenarbeit zwischen zwei unterschiedlichen Technologiebereichen intensiviert, die sicher viel Potenzial birgt, welches bisher noch nicht ausgeschöpft wird. Beispielsweise könnte man in einem solchen Verbundprojekt prüfen, ob die vorhandenen Kommunikationsschnittstellen zwischen Verbrennungsmotor und Arbeitshydraulik ausreichend sind, um alle Möglichkeiten zur Energieersparnis vollständig umzusetzen. Weiterhin ist eine Berücksichtigung des Aspekts der funktionalen Sicherheit hochinteressant, da dies im nun abgeschlossenen Projekt außen vor blieb. Vukovic: Auch ich glaube, dass die Schnittstelle zwischen Verbrennungsmotor und Pumpe ein lohnenswertes Untersuchungsobjekt darstellen kann. Einen entsprechenden Prüfstand aufzubauen und den Verbrauch und Emissionen ausführlich zu untersuchen, würde sicherlich mit einem hohen Erkenntnisgewinn einhergehen. Ein weiteres und sehr spannendes Thema ist das Energy Management: Wann und wie wird der Speicher geladen und entladen? Kann man Zyklen automatisch erkennen und dann die Ladebedingungen anpassen? Dies bedarf einer genaueren Analyse. Murrenhoff: Aus Sicht der Forschung wäre es interessant, die gesamte Simulations- und Auslegungsmethodik auf die Anforderung des Zyklus abzustimmen. Das hieße, man käme über verschiedene Zyklen zum dafür optimalen System. Die Hilfsmittel müssten für die Maschine im gesamten Einsatzfeld abgestimmte Lösungen bieten, die über freie Programmierbarkeit implementierbar sind. Diese Werkzeuge zu entwickeln, mit denen man letztlich eine intelligente Steuerung ableiten kann, wäre ein interessantes Projekt für die Zukunft. Ein Vergleich zu einer konventionellen Maschine inklusive Kostenbetrachtung wäre auf einer übergeordneten Ebene, welche die Systemvorteile hervorhebt, denkbar. Das könnte mit einem Vergleich der Zahl der notwendigen Komponenten dargestellt werden. Aber auch die Herausstellung der konkreten Dieseleinsparung auf einen bestimmten Zeitraum gerechnet ist vorstellbar. Eine konkrete Betrachtung der einzelnen Komponentenkosten wird nicht im Interesse der Industriepartner sein, da unmittelbare Wettbewerber in den projektenbegleitenden Arbeitsgruppen an einem Tisch sitzen. Synek: Selbstverständlich ist neben der Technik die Wirtschaftlichkeit ein wichtiges Kriterium, das in der Bearbeitung des Forschungsprojektes immer mit im Fokus steht. Die Intention dieses mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbundprojektes war es, die Umsetzung des theoretischen Konzeptes an einem Demonstrator zu validieren. Dies, wie gesagt, im vorwettbewerblichen Bereich, denn die industrielle Gemeinschaftsforschung schließt die Entwicklung eines kommerziellen Produktes aus. Es bleibt abschließend festzuhalten, dass das Verbundprojekt STEAM einen großen Erfolg für alle Beteiligten darstellt und eine große Beachtung in der Fachwelt fand. Nicht unerwähnt bleiben sollte die Nominierung des Verbundprojektes im Rahmen des BAUMA Award – der zweite Platz in der Rubrik Forschung ist ein großartiger Erfolg! Dennoch gestaltet sich ein Folgeprojekt als schwierig, da es zurzeit keine geeigneten Förderprogramme, zugeschnitten auf die spezifischen Belange mobiler Maschinen, gibt. An dieser Stelle sind alle am Verbundprojekt beteiligten Partner gefordert: Angesprochen werden sollten Persönlichkeiten aus Politik, Ministerien und Projektträger, regional oder national, um auf derartige erfolgreiche Forschungsaktivtäten hinzuweisen und für eine entsprechende Unterstützung zu werben, damit solche Verbundprojekte bessere Aussichten auf eine Finanzierung haben. Industrie und Forschungsstellen stehen „Gewehr bei Fuß“ in Sachen Weiterführung bzw. Fortsetzung der Forschungsaktivitäten. Der VDMA hat die ersten Schritte bereits initiiert. Herr Hartmut Rauen (stellv. Hauptgeschäftsführer des VDMA) und ich haben bereits ein diesbezügliches Gespräch mit Herrn Michael Kretschmer, MdB, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion, geführt. Herr Kretschmer ist unter anderem Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und hat uns bereits beim Verbundprojekt TEAM tatkräftig unterstützt. Herr Kretschmer sagte seine Unterstützung für ein weiteres Verbundprojekt „Bauen 4.0 –Effizienzsteigerung und CO 2 - Reduktion mit mobilen Maschinen durch Vernetzung und Kommunikation“ zu. Ziel des Projektes ist die Untersuchung, wie hoch der Beitrag einer neuen Generation der Informationsverarbeitung zur CO 2 -Reduktion und Effizienzsteigerung von Bauprozessen sein könnte. Es sollen Methoden zur Effizienzsteigerung von Prozessen und Funktionen entwickelt werden, um eine erhebliche Reduzierung der Emissionen auf Baustellen zu erreichen. www.ifas.rwth-aachen.de/?steam O+PFluidtechnik 7-8/2016 59

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