MOBILE ENERGY BATTERIEZELLPRODUKTION ALLES IM FLUSS Reinraum-FTF von SEW-Eurodrive für den Paletten- und Behältertransport in der Produktion von Lithium-Ionen-Batteriezellen Die Elektromobilität boomt und die Nachfrage nach Batterien ist größer denn je. Um diesen Markt bedienen zu können, entstehen derzeit immer mehr Batteriewerke in Europa. Im neuen Werk eines nordeuropäischen Batterieherstellers kommen nun fahrerlose Transportfahrzeuge von SEW-Eurodrive zum Einsatz. Die spezielle Entwicklung mit Edelstahl- Aufbau ermöglicht Reinraumanwendungen der Klasse ISO 6, beispielsweise beim kontrollierten Ein- und Ausschleusen. In der Batteriezellenproduktion haben asiatische Firmen einen Vorsprung. Die steigende Nachfrage nach Lithium-Ionen-Batterien im Mobilitätssektor und bei stationären Applikationen führte in den letzten Jahren zu einem schnellen Wachstum dieses Marktsegments, in dem europäische Anbieter dringend aufschließen müssen. Bis zum Jahr 2030 sollen in Europa daher 20 neue Gigafabriken errichtet werden. Die Batterieherstellung erfordert eine Anlagentechnik, die den hohen Anforderungen an Prozessqualität und Durchsatz gerecht wird. Automatisierung ist der Schlüssel. Ein Produzent von Lithium-Ionen-Batteriezellen benötigte für die Automatisierung von Transportaufgaben fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF). Dabei sollten die Fahrzeuge und weitere Systeme Reinraumanforderungen erfüllen. Hierfür realisierte Tronrud Engineering AS aus Norwegen gemeinsam mit SEW- Eurodrive einen vollautomatisierten Paletten- und Behältertransport mit fahrerlosen Transportfahrzeugen aus dem Maxolution- Portfolio von SEW-Eurodrive. Tronrud Engineering ist ein Spezialist auf diesem Gebiet. Das Maschinenbauunternehmen entwickelt, produziert und liefert seit mehr als 40 Jahren Automatisierungslösungen. An den Standorten Eggemoen und Moss im Umkreis Oslos arbeiten rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch die norwegische Landesgesellschaft SEW-Eurodrive AS ist in Moss beheimatet. Der Einsatz mobiler Systeme in einer Produktionsumgebung mit hohen Reinraumanforderungen und zahlreichen Schnittstellen wie Aufzügen, Stetigförderern und Sondermaschinen ist eine komplexe Aufgabe. Die Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Übergabe in den Luftschleusen stellt hohe Anforderungen an die Positioniergenauigkeit und Sicherheitstechnik. Außerdem müssen verschiedene Ebenen (Erd- und Zwischengeschoss) überwunden werden. Dazu werden die FTF samt Last in Aufzügen transportiert. VOM TESTSYSTEM ZUR SERIENPRODUKTION Zunächst wurde ein Testsystem in einer Pilotfabrik des Endkunden als Machbarkeitsstudie installiert. Der Transfer von einem Fahrzeug zu einem anderen Fahrzeug mit über 1.000 kg Last war hierbei eine besondere Herausforderung. Nach dem erfolgreichen Test realisierten beide Firmen gemeinsam den Materialfluss mittels eines fahrerlosen Transportsystems in der Serienproduktion eines neuen Werks „auf der grünen Wiese“. Verschiedene, über das Werk verteilte Routen sorgen dafür, den spezifizierten Materialfluss aufrechtzuerhalten. Dabei gibt es zwei getrennte FTF-Bereiche: Im „grauen Bereich“ müssen die Fahrzeuge keine besonderen Reinheitsanforderungen erfüllen. Dagegen gilt für den „weißen Bereich“ die Reinraumanforderung nach ISO 14644-1 Klasse 6. Mit der Übergabe der Last an die Reinraumausführung der mobilen Systeme wird eine saubere Trennung zwischen beiden Bereichen ermöglicht. Zur Vermeidung einer Kreuzkontamination erfolgt diese Lastübergabe in speziellen Luftschleusen. Eine Hauptroute ist die Verbindung des zentralen Lagers mit den Fertigungsbereichen, um sie mit den benötigten Materialien zu versorgen. Sie umfassen die Prozessschritte: Beschichten, Ka- 38 MOBILITY 2023
MOBILE ENERGY 01 Das Plattformfahrzeug mit aufgesetztem Rollenförderer – hier im „grauen Bereich“ – kann eine Traglast bis über 1.000 kg bewegen; sein bidirektionales Fahrwerk erreicht eine Geschwindigkeit von max. 1,5 m/s und eine Positioniergenauigkeit von ± 2 bis 10 mm 02 Innovative Navigations- und Sicherheitstechnologie ermöglicht eine zuverlässige, präzise und prozesssichere Lastübergabe in den Luftschleusen lendern, Slitten, Stapeln und Zellassemblierung. Darüber hinaus wird weiteres Material aus dem Umfeld des Zentrallagers zur Fertigung transportiert. Innerhalb des „weißen Bereichs“ werden die Materialien bis an den jeweiligen Verwendungsort gebracht. Entweder wird das Material direkt angeliefert oder es durchläuft vor der Anlieferung weitere Prozesse, z. B. Kommissionierung/Vereinzelung und Zwischenlagerung von Paletten auf einzelnen Kleinladungsträgern (KLT). Dabei findet auch ein Transfer von einem auf ein anderes Fahrzeug statt. Darüber hinaus werden FTF eingesetzt, um Paletten vom Lager in den „Supermarkt“ zu transportieren, wo Bauteile für die Produktion in der Nähe des Einbauortes bereitgestellt werden, und von dort zur Zellassemblierung. Zwischen Flottenmanager und Fahrzeugen kommt die standardisierte, interoperable Kommunikationsschnittstelle VDA 5050 zum Einsatz, was auch die problemlose Anbindung an die FTS-Leitsteuerung eines Drittanbieters erlaubte. Die erste Ausbaustufe umfasst: 42 FTF, 31 Fahrzeuge zum Palettentransport und 11 zum KLT-Transport. Die längste zurückzulegende Strecke beträgt 345 m – einschließlich der Aufzugwege. GETEILTE VERANTWORTUNG Tronrud Engineering übernimmt die Gesamtverantwortung für die stationäre und mobile Handlingssysteme für Paletten und Behälter und hat SEW-Eurodrive die Verantwortung für das gesamte fahrerlose Transportsystem übergeben. SEW realisiert auch die Integration des Tronrud-Lastaufnahmemittels auf dem Fahrzeug, stellt die kompletten Fahrzeuge einschließlich der Konformitätserklärung zur Verfügung und integriert die Fahrzeuge in das Gesamtsystem – einschließlich Planung, Parametrierung und Inbetriebnahme. Beide Partner unterstützten sich vor Ort bei der Inbetriebnahme beim Endkunden. Die europa- und weltweite Präsenz von SEW-Eurodrive und von Tronrud Engineering sichert auch in Zukunft eine schnelle, lokale Unterstützung. Für die mobile und schienengeführte Fördertechnik bietet SEW-Eurodrive skalierbare Systemlösungen an, was auch die dazugehörigen Dienstleistungen umfasst – von der Systemplanung und Simulation bis zur Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur. Auf Basis seines innovativen Technologie- und Softwarebaukastens ist es SEW-Eurodrive möglich, individuelle fahrerlose Transportsysteme zu konfigurieren und dabei zugleich die Komplexität gering zu halten. KONTAKTLOS ENERGIE ÜBERTRAGEN 01 02 Die fahrerlosen Transportfahrzeuge lassen sich mithilfe des Energieversorgungssystems Movitrans von SEW-Eurodrive kontaktlos und wartungsfrei laden. Daher ist es besonders für sensible Bereiche wie die Lebensmittelproduktion oder Reinräume geeignet. Für die Movitrans-Komponenten gibt es verschiedene Einbauoptionen, die eine einfache und dezentrale Installation ermöglichen. Die Energieaufnahme erfolgt verschleißfrei, entweder punktuell im Stillstand oder während der Fahrt über Linienleiter, die im oder auf dem Boden verlegt werden. Durch das Laden während der Fahrt oder bei der Lastübergabe lassen sich Stillstandszeiten vermeiden. Umfangreiche Sicherheitstechnik schützt das gesamte Fahrzeug, und vor allem die Menschen, die in seiner Umgebung arbeiten. Die integrierte Sicherheitssteuerung sorgt für die geschwindigkeitsabhängige Schutzfeldumschaltung, sicher abgeschaltetes Drehmoment, sichere Geschwindigkeit und weitere Funktionen. Auch das Lastaufnahmemittel wurde vollständig in die Fahrzeugsicherheit integriert. Zur Navigation in den Produktionshallen kommt Laser-SLAM zum Einsatz (Simultaneous Localization and Mapping). In Kombination mit Laserparking und Feinpositionierung mittels Data- Matrix-Code ermöglicht dies eine präzise und prozesssichere Fahrzeugpositionierung, was insbesondere für sicherheitsrelevante Bereiche, wie bei der Lastübergabe von Fahrzeug zu Fahrzeug, von Bedeutung ist. WELTWEIT VERFÜGBAR SEW-Eurodrive liefert weltweit mobile Systeme, Antriebs- und Steuerungskomponenten sowie Software aus einer Hand. Gemeinsam mit dem Maschinenbauer Tronrud Engineering installierte SEW-Eurodrive ein fahrerloses Transportsystem aus dem Maxolution-Portfolio mobiler Transport- und Assistenzsysteme in einer europäischen Fabrik zur Batteriezellenfertigung. Die VDA 5050 wurde dabei als Schnittstelle zur Kommunikation zwischen Fahrerlosen Transportfahrzeugen und der Leitsteuerung eingesetzt. Eine Erweiterung der FTS-Flotte ist bereits geplant und steht kurz vor der Umsetzung. www.sew-eurodrive.de/transportfahrzeuge AUTOR Gunthart Mau, Referent Fachpresse, SEW-Eurodrive, Bruchsal MOBILITY 2023 39
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