DICHTUNGSTECHNIK TITEL WELCHE SCHÄDEN VERURSACHT LUFT IN DRUCKFLÜSSIGKEITEN AN DICHTUNGEN – UND WIE KANN ICH SIE VERMEIDEN? Bernhard Richter, Ulrich Blobner Von den vier Hauptschadensmechanismen für Dichtungen wird der Schaden durch „Luft in Druckflüssigkeiten“ der 3. Hauptgruppe zugerechnet (1 Medien, 2 Temperatur/Alterung, 3 Mechanisch/physikalisch, 4 Herstellungsfehler). Welche negativen Effekte Luft in Druckflüssigkeiten auf Dichtungen haben kann, und wie Sie diese vermeiden, lesen Sie im folgenden Übersichtsartikel. FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG AUCH HEUTE NOCH RELEVANT Dieser Artikel verweist stellenweise auf einen Beitrag, der im Jahre 1982 in der O+P erschienen ist. Die damals getroffenen Aussagen sind nach wie vor relevant und ein Beleg für die Langlebigkeit von Fachinformationen. Hier können Sie diesen Artikel von Herrn Prof. Schrader zur Dichtungsschadenanalyse einsehen: http://bit.ly/Schrader1982 32 O+P Fluidtechnik 1-2/2020
DICHTUNGSTECHNIK Die 3. Hauptgruppe lässt sich in drei Untergruppen aufteilen: Montagefehler, falscher Einbauraum und physikalische Überbeanspruchung durch die Betriebsbedingungen. Schadensfälle, die durch Luft in der Hydraulikflüssigkeit ausgelöst wurden, gehören der letzteren Untergruppe an. Weitere Schadensmechanismen aus dieser Untergruppe sind z. B. Abrieb, explosive Dekompression, Spaltextrusion oder Blow-By bzw. Strömungserosion. 01 Einbausituation eines O-Rings im Kontakt mit heißem Kühlwasser: Durch Radialschwingungen der Laufbuchse ändert sich die Kontaktbreite „b“, es kommt zur harten Kavitation im Bereich der grünen Pfeile 1 FACHLICHES HINTERGRUNDWISSEN ZUM SCHADENSBILD Luft ist in Druckflüssigkeiten in der Regel molekular gelöst. Frische Hydrauliköle enthalten etwa 9 Vol.% Luft 1 und können je nach Typ und Viskosität bis zu 11 % aufnehmen 2 . Die Luftkonzentration im Öl ist nicht nur im Hinblick auf eine langsame Ölalterung (Oxidation) möglichst gering zu halten. Oft gibt es ganz einfache Ursachen für Luft in Hydraulikflüssigkeiten, wenn zum Beispiel vor dem Befüllen eines Systems nicht die ganze Luft abgesaugt wird oder eine Hydraulikpumpe Luft mitansaugt. Die Praxis zeigt, dass häufig ganz einfache Gründe für Luftprobleme vorliegen. Jede Hydraulikflüssigkeit hat eine bestimmte Sättigungsgrenze. Diese lässt sich wie folgt abschätzen: V G = V Ö · α · p V G = Gasvolumen bei 0 °C und 1 bar V Ö = Ölvolumen α= Bunsenkoeffizient (Luft = 0,09, Stickstoff = 0,08) Neben dem Systemdruck und Bunsenkoeffizient beeinflussen aber auch die Öltemperatur, -additive und -viskosität die Lösbarkeit von Luft im Hydrauliköl. Mit einer zunehmenden Alterung des Öls oder durch das Mischen unterschiedlicher Öle kann die Luftaufnahme ebenfalls stark ansteigen. In der molekular gelösten Form ist Luft relativ unproblematisch. Schwierigkeiten treten in der Regel erst dann auf, wenn es zu plötzlichen und größeren Druckänderungen kommt. Bei Druckabnahme wird die gelöste Luft in Blasenform ausgeschieden und verbleibt in der Druckflüssigkeit und/oder lagert sich als Schaum über dieser an. Ausgeschiedene Luft verändert spürbar die Eigenschaften der Druckflüssigkeit. Außerdem können diese Luftbläschen mit Hilfe bestimmter physikalischer Effekte nicht nur die Oberfläche von relativ weichen Dichtungen zerstören, sondern auch harte Metallteile gravierend beschädigen. 2.1 KURZER ÜBERBLICK ÜBER DRUCKFLÜSSIGKEITEN Es gibt drei große Gruppen von Druckflüssigkeiten. Die älteste und wichtigste Gruppe von Druckflüssigkeiten sind die Hydrauliköle. In Bereichen mit Brandgefahr werden schwerentflammbare Druckflüssigkeiten eingesetzt. Und schließlich stehen noch schnell biologisch abbaubare Druckflüssigkeiten zur Verfügung. Die am häufigsten eingesetzten Druckflüssigkeiten sind auf Basis von Mineralölen. Es wird unterschieden zwischen den vier Typen ³ : H-L- und H-LP-Hydrauliköle verhindern bzw. reduzieren Oxidation und Rost. Letztere LP-Typen werden v. a. im Hochdruckbereich eingesetzt. Ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung von Hydraulikölen ist ihr VT (Viskosität/Temperatur)-Verhalten. Dieses ist bei den sogenannten H-V-Typen optimiert, so dass diese bei tiefen und stark schwankenden Temperaturen eingesetzt werden. Die H-LPD-Hydraulikflüssigkeiten sind in der Lage, geringe Mengen von unerwünschtem Wasser zu binden. Bei den schwer- bzw. teilweise nicht entflammbaren Druckflüssigkeiten wird ebenfalls zwischen vier Gruppen unterschieden: HF-A-Flüssigkeiten sind Öl-in-Wasser-Emulsionen und praktisch unbrennbar, da ihr Wassergehalt über 80 %, meist jedoch sogar über 95 % liegt. Sie erfordern jedoch spezielle und aufwändigere Heißes Kühlwasser 02 03 Durch Luft geschädigter O-Ring infolge explosiver Dekompression aus einer Hydraulik-Anwendung Vergrößerung: X50,0 Neigungswinkel: 0 Grad 0,500 mm Geschädigter O-Ring aus einer Hydraulikanwendung: Luft drang in das Elastomer ein und es kam zur Explosiven Dekompression, die zu Abplatzungen an der Oberfläche führte Dichtungskonstruktionen, da sie praktisch die Konsistenz von Wasser besitzen. Selten werden die sogenannten HF-B-Lösungen (Wasser-in-Öl-Emulsionen) eingesetzt. Diese beiden Gruppen können nur in einem kleinen Temperaturbereich verwendet werden, der nach unten durch das Einfrieren von Wasser und nach oben durch das zunehmende Verdampfen begrenzt ist (5 °C bis ca. 55 °/60 °C). O+P Fluidtechnik 1-2/2020 33
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