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O+P Fluidtechnik 11-12/2020

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O+P Fluidtechnik 11-12/2020

DICHTUNGEN

DICHTUNGEN DRUCKLUFTVERTEILER, MASSGESCHNEIDERT PRODUKTE UND ANWENDUNGEN In der Pneumatik kommen häufig Standardkomponenten zum Einsatz, zum Teil werden Vorrichtungen um diese Teile konstruiert. Die Firma Hänssler drehte den Spieß um und nutzte den 3D-Druck, um zwei spezifische Druckluftverteiler für ihre Vorrichtung zu produzieren. In der Pneumatik werden häufig Standardkomponenten verbaut – das führt dazu, dass Maschinen häufig um diese Teile herum konstruiert werden, denn das ist oft günstiger, als einzelne Komponente gesondert zu fertigen. Klassische Mehrfachverteiler gibt es in verschiedenen Ausführungen mit drei oder zehn Auslässen für 6 bar oder 1 MPa. Je nach Anforderung werden die verschiedenen Anschlüsse miteinander verschaltet oder mit einem Stopfen verschlossen. Diese Praxis stößt jedoch an ihre Grenzen, wenn der Bauraum bereits vorgegeben ist und ein Mehrfachverteiler auf diesem geringen Raum verbaut werden muss – wie im Vorrichtungsbau. Vor dieser Herausforderung standen die Ingenieur:innen und Techniker:innen der Firma Hänssler Kunststoff- und Dichtungs- Autor: Stefan Holländer, Managing Director EMEA bei Formlabs technik aus Mannheim. Das Unternehmen ist auf Kunststoff- und Dichtungstechnik spezialisiert und nutzt neben den klassischen Verfahren von Drehen, Fräsen und Spritzguss seit einigen Jahren auch die additive Fertigung. Während die inhabergeführte Firma eigentlich Kunststoffteile und Dichtungen für Kunden aus dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Automatisierungs- und Elektrotechnik entwickelt und produziert, kam der 3D-Druck in diesem Fall bei der Anpassung ihrer eigenen Maschine zum Einsatz. Da die meisten Dreh- und Fräsmaschinen des Unternehmens eigentlich für die Metallverarbeitung konzipiert sind, müssen oft spezielle Anpassungen vorgenommen werden – so wie kürzlich bei einem pneumatischen Mehrfachverteiler. 3D-DRUCK VERÄNDERT DAS ENGINEERING Für eine eigens konstruierte Vorrichtung wurden zwei Druckluftverteiler benötigt. Die Herausforderung lag darin, dass diese auf engstem Raum von nur vier mal vier Zentimetern verbaut werden sollten. Die spezifischen Schaltungen hätten auf diesem Raum nicht mit den Standardkomponenten realisiert werden können. „Deswegen haben wir die Teile 3D-gedruckt. So ist es möglich, die Verteiler kompakt und individuell auf unsere Bedürfnisse angepasst herzustellen. Das ist ein riesiger Vorteil. Wir müssen nicht die Maschine um das Teil herum konstruieren, sondern können den Druckluftverteiler einfach in die bestehende Konstruktion integrieren“, erklärt Dirk Olbert, Projektingenieur für die Additive Fertigung bei Hänssler. Das Unternehmen nutzt einen 3D-Drucker der Firma Formlabs. Der Drucker nutzt Stereolithografie für die additive Fertigung: 30 O+P Fluidtechnik 2020/11-12 www.oup-fluidtechnik.de

DICHTUNGEN Die Wahl fiel schließlich auf ein biegsames Material. Es simuliert die Festigkeit und Steifigkeit von Polyethylen (PE) und eignet sich besonders für reibungsarme und verformbare Baugruppen. Die damit gedruckten Druckluftverteiler können somit nach dem Druck noch bearbeitet werden und halten außerdem den unterschiedlichen Belastungen der Druckluft stand. Nach dem Waschen schnitten Dirk Olbert und sein Team die Gewinde in die Adapter und härteten erst dann die beiden Teile aus. Anschließend wurden nur noch die Schlauchadapter eingesetzt und die beiden Druckluftverteiler schließlich in die Vorrichtung eingebaut. Flüssiges Kunstharz wird durch Laserstrahlen an bestimmten Stellen ausgehärtet. Bei Hänssler kommt ein Low Force Stereolithography (SLA) 3D-Drucker zum Einsatz. Durch einen flexiblen Tank und eine lineare Beleuchtung können so noch präzisere Strukturen und glattere Oberflächen gedruckt werden. Vor dem 3D-Druck mussten die beiden Druckluftverteiler zunächst konstruiert werden. Das geschieht in einem CAD-Programm. Die STL oder OBJ-Datei wird anschließend in die Software zur Druckvorbereitung importiert, damit der 3D-Drucker die Informationen verarbeiten kann. Der Desktop-3D-Drucker ist sehr kompakt und hat nur eine Standfläche, die ähnlich groß ist wie ein DIN A3 Blatt. DIE PRODUKTION FINDET VOR ORT STATT 01 Das Druckmaterial bildet verschiedene Kunstharze. Diese befinden sich in Kartuschen und können flexibel ausgetauscht werden. Beim Druck fließt das flüssige Kunstharz in einen Tank und wird dort anschließend mit UV-Strahlen gehärtet. Zu Beginn des Drucks fährt eine Druckplattform herunter, bis sie mit dem Kunstharz abschließt. Anschließend härtet der Laser Schicht für Schicht das Produkt. In diesem Prozess taucht die unterste Schicht immer wieder in das flüssige Kunstharz ein, sodass ein nahtloser Druck möglich ist. Ist das Produkt fertig gedruckt, fährt die Plattform nach oben und eventuell mitgedruckte Stützstrukturen können entfernt werden. Anschließend muss das Produkt noch gewaschen und gehärtet werden. Bei der Entwicklung der Mehrfachverteiler war die Materialvielfalt ein großer Vorteil. Die Ingenieur:innen nutzten zunächst ein Kunstharz, das speziell für die Prototypenerstellung entwickelt wurde. Der fertige Druck erwies sich jedoch als zu spröde, da erst nach dem Druck die Gewinde in das Material geschnitten wurden. Die Gewinde 3D zu drucken war nicht möglich, da sie zu klein sind und es zwingend nötig ist, dass sie dicht abschließen, damit eine konstante Druckluftverteilung gewährleistet werden kann. 3D-DRUCK IN DER FLUIDTECHNIK Die additive Fertigung bedeutete für Hänssler mehrere Vorteile: Am wichtigsten war, dass die Vorrichtung nicht, wie bisher üblich, um die Standardkomponenten herum gebaut werden musste – das sparte nicht nur Zeit für die Konstruktion und Fertigung, sondern auch Kosten. Denn der individuelle 3D-Druck der beiden Druckluftverteiler war nicht kostenintensiv. Ein Desktop-3D-Drucker plus Kunstharz erfordert keine hohen Investitionen. Da die Produkte in einer CAD-Software designt werden, sind Anpassungen leicht möglich – lange Wartezeiten für Muster entfallen. Im Vergleich zur herkömmlichen Entwicklung von Einzelstücken ist dies bedeutend günstiger. Die Firma Hänssler nutzt den 3D-Druck zudem nicht nur für ihre eigenen Maschinen, sondern viel häufiger bei der Realisierung von Kundenprojekten. Auch die Fluidtechnik kann von der additiven Fertigung profitieren. Spezifische Bauteile können vor Ort designt, angepasst und hergestellt werden. Das reduziert nicht nur in Krisenzeiten die Abhängigkeit externer Zulieferer. Werden größere Stückzahlen benötigt, können die 3D-Drucker auch zu einer digitalen Produktionsstraße zusammenschlossen werden. Dank der Möglichkeiten des 3D-Drucks wird eine Standardkomponente wie ein pneumatischer Mehrfachverteiler nicht mehr zur ausschlaggebenden Größe für den Vorrichtungsbau. Fotos: Formlabs www.formlabs.com 01 Der 3D-Drucker ist nicht sehr platzintensiv in der Nutzung 02 In engen Verhältnissen sind exakt angepasste Verteiler viel wert 02 www.oup-fluidtechnik.de O+P Fluidtechnik 2020/11-12 31

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