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O+P Fluidtechnik 11/2016

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O+P Fluidtechnik 11/2016

DICHTUNGEN FORSCHUNG UND

DICHTUNGEN FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 03 Ausschnitt aus dem Dichtspalt mit Reibungsanteilen 04 Prinzip des Kolbenstangen-Reibkraftprüfstands am IFAS der RWTH Aachen 05 Reibkraftverläufe von HLP 46 bei 30 °C und 50 bar reicht eine Betrachtung des TS durch quasistationäre Stribeck-Kurven nicht zur Charakterisierung aus. Insbesondere der Stick-Slip- Effekt, als hochdynamischer Vorgang, muss hier differenzierter betrachtet werden. Im Folgenden wird die experimentelle Herangehensweise an diese Problematik erläutert. PRÜFAUFBAU UND VERSUCHSDURCHFÜHRUNG Im Rahmen von Voruntersuchungen wurde am IFAS ein Kolbenstangen-Reibkraftprüfstand entwickelt und aufgebaut, welcher konzeptionell in Bild 04 dargestellt ist. Das zu untersuchende Dichtungspaar wird in einer Testkammer angeordnet und trennt das Arbeitsfluid in der Testkammer zur Umgebung ab. Der Antrieb der Kolbenstange erfolgt über einen reibungsarmen Servogleichgangzylinder, welcher mit einem induktiven Wegsensor ausgerüstet ist. Ein schnelles Proportionalventil steuert den Hydraulikzylinder. Aus technischen Gründen musste das Proportionalventil für die hier vorgestellten Versuche, im Vergleich zu [3], gewechselt werden. Es wird ein Ventil mit äquivalenter Kennlinie eingesetzt. Über eine mechanische Kopplung wird die Bewegung vom Antriebszylinder an die Kolbenstange übertragen und durch die eingesetzten Gelenkverbindungen wird eine querkraftfreie Aufhängung der Testkammer realisiert. Die Reibkraft wird über einen Kraftsensor gemessen, der die Testkammer an das Maschinenbett fesselt. In der Testkammer wird der Druck über einen Druckübersetzer eingeregelt. Eine Heizung regelt die Temperatur in der Testkammer. Für die Versuche werden die Temperaturen 30 °C und 60 °C, sowie die Druckstufen 0, 50, 150 und 250 bar angefahren. Als Dichtungen werden Nutringe aus TPU verwendet, die in der Mobilhydraulik ein häufig verwendetes Dichtelement mit hoher Verschleißfestigkeit darstellen [7]. Die Dichtungspaare werden vor den Versuchen mit einer Einlaufphase über eine Reibstrecke von einem Kilometer, bei konstantem Druck und konstanter Temperatur, kalibriert. Nach Tao und Heipl liegt dieser Reibweg über dem, was zum Erreichen eines konstanten Verschleißniveaus notwendig ist [5] [6]. Diese Abschätzung zur sicheren Seite hilft somit, die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu verbessern. Nach jedem Versuch wird ein neues Dichtungspaar verwendet und somit die Wechselwirkung von auf der Oberfläche anhaftenden Additiven zwischen mehreren Versuchen unterbunden. Für die Untersuchung der Fluide werden zwei Experimente durchgeführt. Die Erfassung des quasistationären Reibverhaltens durch die Aufnahme von Stribeck-Kurven bei diskreten Geschwindigkeiten stellt den ersten Versuch dar. Eine solche Reibkraftkurve ist in Bild 05 (links) dargestellt. Die quasistatische Reibkraftkurve eines Dichtungspaares wird aus diskret eingeregelten Geschwindigkeiten ermittelt. Die gemessenen Reibkräfte werden zeitlich gemittelt und über der logarithmisch geteilten Relativgeschwindigkeit aufgetragen. Da die Form der Kurve in Bild 05 (links) formell der Stribeck-Kurve entspricht, wird diese Art Diagramm im Folgenden Stribeck-Kurve genannt. Im vorliegenden Tribokontakt „Dichtung- Kolbenstange“ können keine Normalkräfte ohne tiefergehende numerische Analyse angegeben werden. Daher wird die Reibkraft über der Relativgeschwindigkeit aufgetragen [5] [6]. Die Auswirkungen der tribologischen Besonderheiten des TS, die mit dem Prüfstand erfasst werden können, sind in Bild 05 (rechts) sichtbar. Im rechten Diagramm sind Reibkraftkurven über der Relativgeschwindigkeit aufgetragen. Die Kurven wurden bei einer sinusförmigen Bewegung der Kolbenstange gemessen. Bei Variation der Sinusfrequenz unterscheiden sich die Verläufe signifikant und es werden mehrere Besonderheiten des TS deutlich. Zum einen entsteht eine Hystereseschleife bei einer sinusförmigen Bewegung. Zum anderen wird eine Abhängigkeit des Reibkraftverlaufs von der Bewegungsfrequenz sichtbar. Diese Effekte lassen sich durch das viskoelastische Verhalten des Dichtungsmaterials erklären und erfordern einen weiteren experimentellen Ansatz zur Charakterisierung des Systemverhaltens, welcher im Folgenden erläutert wird [6]. Im zweiten Versuch werden das instationäre Reibverhalten und die Stick-Slip-Neigung des Öls untersucht. Dieser Versuch wird im Folgenden Stick-Slip-Versuch genannt. Hierfür erzeugt die Messelektronik ein sinusförmiges Signal, welches dem Ventilschieber des Servoventils eine sinusförmige Auslenkung auferlegt. Es wird ein Bereich von 2 bis 10 % Ventilschieberamplitude und 1/16 bis 11/16 Hz Ventilschieberfrequenz durchfahren. Diese Bereiche wurden in Vorversuchen evaluiert. Hierbei sind Frequenz- und Amplitudenbereiche mit verschiedenen Ölen durchfahren worden. Es wurde somit eine obere und eine untere Grenze definiert, oberhalb und unterhalb derer Stick-Slip-Schwingungen gerade noch oder nicht mehr im System auftreten. Die Nutzung einer Steuerung schließt den Einfluss von Regeleingriffen auf Stick-Slip-Erscheinungen in tilgender, sowie in verstärkender Weise aus. Die Steifigkeit des Antriebssystems wird während des Stick-Slip-Versuchs durch die Zuschaltung von Hydraulikspeichern reduziert, was ein 78 O+P Fluidtechnik 11-12/2016

DICHTUNGEN Ruckgleiten begünstigt, jedoch die Reibcharakteristik der Dichtungspaarung nicht verändert. Die Auswertung des Stick-Slip-Versuchs wird mit der Berechnung des sogenannten Abweichungsmittels durchgeführt [3]. Hiermit lässt sich die Stick-Slip-Neigung des Systems beurteilen (Bild 06). Die Rohwerte der Reibkraft sind in Bild 06 links dargestellt. Im ersten Schritt wird die Reibkraft gefiltert und vom ungefilterten Verlauf subtrahiert. Der so entstandene Verlauf wird betragsmäßig über der Messzeit integriert, siehe Schritt 2 in Bild 06. Aus diesem Rechenschritt ergibt sich das Abweichungsmittel für den Betriebspunkt. Da der Stick-Slip-Effekt in besonders ausgeprägter Form bei 2 und 4 % Ventilschieberamplitude auftritt, wird im Folgenden dieser Betriebspunkt betrachtet und das Abweichungsmittel über der steigenden Ventilschieberfrequenz aufgetragen. VERHALTEN DES TS BEI VERWENDUNG VOLLSTÄNDIG FORMULIERTER ÖLE Im Rahmen der Vorversuche wurde ein vollständig formuliertes Hydrauliköl nach DIN 51524 Teil 2 der Viskositätsklasse ISO VG 46, im Folgenden HLP 46 genannt, untersucht [8]. Dem wurde ein vollständig formuliertes Getriebeöl mit einer Viskosität von 38 mm²/s gegenüber gestellt. Das Getriebeöl unterscheidet sich vom Hydrauliköl in erster Linie durch seine Additivierung [9]. Die Öle wurden durch Stribeck-Kurven und Stick-Slip-Versuche charakterisiert. In Bild 07 (links) ist die Stribeck-Kurve des HLP 46 bei 30 °C Fluidtemperatur für alle Druckstufen abgebildet. Der typische Verlauf der Stribeck-Kurve ist für die Druckstufen 50, 150 und 250 bar gut erkennbar. Das Tribosystem Stangendichtung durchläuft bei den Versuchen daher alle Schmierungszustände von der Grenzreibung bis hin zur hydrodynamischen Reibung. Der Effekt des sogenannten Ausformdrucks lässt sich in Bild 07 sehr gut erkennen. Im Falle des Dichtelements Nutring, welches in den Versuchen verwendet wird, lässt sich durch die Steigerung des Innendrucks die Reibkraft nur bis zu einem bestimmten Druck signifikant steigern. Dieser Druck wird Ausformdruck genannt und repräsentiert den Zustand, in dem die Stangendichtung durch die Druckverformung vollständig an der Stange anliegt. In Bild 07 (links) lässt sich bei einer Steigerung des Drucks über 150 bar hinaus auf 250 bar keine signifikante Steigerung der Reibkraft erkennen. Für den verwendeten Nutring liegt der Ausformdruck demzufolge zwischen 50 und 150 bar. Im Falle des Getriebeöls liegt das Reibkraftniveau der Stribeck- Kurven, besonders im Bereich der Mischreibung, höher, was in Bild 07 rechts abgebildet ist. Bei geringen Relativgeschwindigkeiten ist ein positiver Gradient der Reibkraft festzustellen, der dann bei höheren Relativgeschwindigkeiten zu einem Plateau ansteigt. Mit zunehmenden Anteilen hydrodynamischer Reibung sinkt die Reibkraft dann wieder. Ein deutlich sichtbarer Bereich hydrodynamischer Reibung stellt sich beim Getriebeöl, in den Grenzen der in den Versuchen angefahrenen Geschwindigkeiten, nicht ein. In Bild 08 sind die Abweichungsmittel, wie zuvor definiert, für das HLP 46 abgebildet. Sowohl bei 2 % Ventilschieberamplitude, als auch bei 4 % Ventilschieberamplitude lässt sich ein ausgeprägter Stick-Slip-Effekt beobachten. Ein Betriebsdruck von 0 bar ruft bei bei keinem der getesteten Öle einen Stick-Slip-Effekt hervor. Der Versatz von etwa 25 N bei 0 bar ist charakteristisch für das Auswerteverfahren und resultiert aus dem Messrauschen des Kraftsensors, sowie nicht filterbaren Anfahrreibungseffekten. Die Abweichungsmittel für das Getriebeöl sind in Bild 09 dargestellt. Es zeigt sich, dass die Verwendung von Getriebeöl ein Ruckgleiten des Tribokontakts unterbindet. Die hohe Stick-Slip-Neigung des HLP 46 einerseits und die nicht vorhandene Stick-Slip-Neigung des Getriebeöls andererseits korreliert mit den Stribeck-Kurven der Öle. Im Falle des HLP 46 sind im Bereich kleiner Geschwindigkeiten unterhalb von 4 mm/s stark ne- gative Gradienten der Reibkraft vorhanden. Das Getriebeöl zeigt im Bereich dieser Relativgeschwindigkeiten positive Gradienten und dämpft das System daher. Die Ursache dieser unterschiedlichen Reibkraftcharakteristiken ist in den spezifischen Eigenschaften der verwendeten Öle zu suchen. Ein Einfluss der Viskosität der Öle wird ausgeschlossen, da die Verwendung eines HLP 32 im Prüfstand zu ähnlichen Stick-Slip- Effekten führt, wie bei der Verwendung von HLP 46. Die stark unterschiedliche Additivierung der Öle ist eine mögliche Ursache für die unterschiedlichen Reibkraftverläufe. Getriebeöle sind zur Einstellung eines definierten Reibverhaltens in La- 06 Auswertung des Stick-Slip-Versuchs für einen typischen Verlauf 07 Stribeck-Kurven von HLP 46 (links) und Getriebeöl (rechts) bei 30 °C Fluidtemperatur 08 Abweichungsmittel des HLP 46 bei 30 °C Fluidtemperatur O+P Fluidtechnik 11-12/2016 79

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