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O+P Fluidtechnik 11/2016

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O+P Fluidtechnik 11/2016

DICHTUNGEN

DICHTUNGEN mellenkupplungen mit FM additiviert. Diese FM sind auch im TS Dichtung-Kolbenstange aktiv und verändern die Reibkraftcharakteristik des Systems. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern die Zugabe von Modell-FM die Stick-Slip-Neigung des TS positiv beeinflussen kann. VERGLEICH DER WIRKSAMKEIT VON FM UNTER VARIATION DER FUNKTIONELLEN GRUPPE FM verändern die Grenzflächeneigenschaften des Tribokontakts. Die Zugabe einiger 100 ppm kann häufig schon die gewünschten Effekte in der Einstellung der Reibung durch FM erzielen [11]. Wünschenswert ist eine Konzentration von 0,5 bis 2 Gew.-% im vollständig formulierten Öl [11]. Auch Extrem-Pressure-Additive (EP) und Anti-Wear-Additive (AW) verändern die Grenzflächeneigenschaften eines TS, allerdings nur bei hoher Aktivierungsenergie, durch tribochemische Reaktionen, was bei einem niedrig belasteten Dichtungskontakt ausgeschlossen werden kann [12]. Als FM geeignete Moleküle sind organische Säuren, Amine, Alkohole oder organo-metallische Verbindungen. Typische molekulare Strukturen von FM zeichnen sich durch ein polares Ende und eine lange Kohlenwasserstoffkette aus. Das polare Ende der funktionellen Gruppe weist ein gutes Haftpotenzial auf metallischen Oberflächen auf und die Kohlenwasserstoffkette stabilisiert die Filmbildung durch disperse Kräfte zwischen den FM-Molekülen [12]. Ingram et al. schlagen als FM unter anderem Dodecansäure vor [9]. Die molekulare Struktur von Dodecansäure ist in Bild 10 dargestellt. Die Stribeck-Kurve des mit Dodecansäure additivierten HLP 46 ist in Bild 11 (rechts) abgebildet. Das Reibkraftniveau ist insbesondere im Bereich der Grenz- und Mischreibung deutlich niedriger im Vergleich zum unadditivierten HLP 46, welches in Bild 11 links dargestellt ist. Auch der Gradient der Reibkraft im Übergang von Grenz- zur Mischreibung ist deutlich reduziert. Das Verhalten des TS im Stick-Slip-Versuch ist, wie die Stribeck-Kurven andeuten, ebenfalls als positiv zu bewerten [3]. Die Additivierung mit Dodecansäure eliminiert den Stick-Slip-Effekt völlig [3]. Die Verwendung einer anderen funktionellen Gruppe im FM-Molekül hat signifikante Auswirkungen auf das Reibverhalten des TS. Daher wird im Folgenden der Einfluss von Dodecanol (C 12 H 26 O), im Vergleich zur Dodecansäure (C 12 H 24 O 2 ), auf die Reibkraftcharakteristik des TS diskutiert. Hierfür werden auf dem Kolbenstangen-Reibkraftprüfstand sowohl Stribeck-Kurven aufgenommen, als auch der Stick-Slip-Versuch für alle Betriebspunkte durchgeführt. Die Molekülstruktur des Modell-FM Dodecanol ist in Bild 12 dargestellt. In Bild 13 (rechts) ist die Stribeck-Kurve bei 30 °C Fluidtemperatur von HLP 46 mit 2,12 Gew.-% Dodecanol abgebildet. Dem ist in Bild 13 (links) die Stribeck-Kurve des mit 2,12 Gew.-% Dodecansäure additivierten HLP 46 gegenüber gestellt. Es wird ein Unterschied in der Auswirkung der FM auf die Reibkraftcharakteristik in Abhängigkeit der verwendeten funktionellen Gruppe sichtbar. Die Stribeck-Kurven des mit Dodecanol additivierten HLPs zeigen einen Verlauf, der dem unadditivierten HLP 46 ähnelt. Insbesondere im Bereich der Grenz- und Mischreibung ist die Reibkraft in der Größenordnung von 3 kN. Der negative Gradient der Reibkraft über der Relativgeschwindigkeit bleibt auch nach der Hinzugabe von Dodecanol erhalten, wird aber abgeschwächt. Daher ist das Gebiet der Grenzreibung im Vergleich zum unadditivierten HLP 46 breiter. Der Verlauf der Stribeck-Kurven des mit Dodecanol additivierten HLP 46 lässt auf einen immer noch vorhandenen Stick-Slip-Effekt schließen. Die aus den Stick-Slip-Versuchen ermittelten Abweichungsmittel sind in Bild 14 für das HLP 46 mit Dodecansäure und Dodecanol für 30 °C Fluidtemperatur und einer Ventilschieberamplitude von 2 % dargestellt. Die Wirksamkeit des FM Dodecanol ist gegenüber der Dodecansäure deutlich schwächer. Es sind ausgeprägte Stick- Slip-Schwingungen zu beobachten, welche sich in sehr ähnlicher Weise auch bei 4 %Ventilschieberamplitude äußern. Diese Ergebnisse decken sich mit den Verläufen der Stribeck-Kurven in Bild 13. Eine mögliche Erklärung dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen kann in den verschiedenen Adsorptionsmechanismen des Alkohols und der organischen Säure auf den tribologischen Oberflächen gesucht werden. Säuren binden sich an Metalloxidoberflächen durch chemische Reaktionen [4] [13]. So werden Grenzschichten gebildet, welche aus einer Molekülschicht bestehen [13]. Die unpolaren Kohlenwasserstoffketten ragen dabei in den Dichtspalt. Das Reaktionsprodukt FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG 09 Abweichungsmittel des Getriebeöls bei 30 °C Fluidtemperatur 10 Molekulare Struktur der Dodecansäure 11 Stribeck-Kurve von HLP 46 mit 2,12 Gew.-% Dodecansäure (rechts) im Vergleich zum unadditivierten HLP 46 (links) bei 30 °C Fluidtemperatur 12 Molekulare Struktur des Dodecanols 80 O+P Fluidtechnik 11-12/2016

DICHTUNGEN 13 Stribeck-Kurven von HLP 46 mit Dodecanol (rechts) und Dodecansäure (links) bei 30 °C Fluidtemperatur zwischen stationärer und instationärer Reibung zu unterscheiden. Beim Betrieb von Hydraulikzylindern können dynamische Phänomene auftreten, die unerwünscht sind. Eines dieser Phänomene ist der Stick-Slip-Effekt, welcher die Feinsteuerbarkeit verschlechtert und angrenzende Strukturbauteile zum Schwingen anregen kann. Das Auftreten des Stick-Slip-Effekts ist unter anderem von der Reibungscharakteristik des TS Stangendichtung abhängig. Es wurde gezeigt, dass der Stick-Slip-Effekt durch die Verwendung bestimmter Öle unterbunden werden kann. Dies lässt sich zum einen durch die Betrachtung der quasistationären Stribeck- Kurve und zum anderen durch einen gezielten Stick-Slip-Versuch quantifizieren. Für diese Versuche wurde am IFAS der RWTH Aachen ein Prüfstand aufgebaut und eine adäquate Auswertung der Versuche entwickelt. Das Auftreten des Stick-Slip-Effekts wurde auf die Additivierung des Öls zurückgeführt. In früheren Versuchen der Autoren ließ sich mit der Zugabe von Dodecansäure als FM bereits eine sehr gute, Stick-Slip mindernde Wirkung erzielen. Die Vorliegende Untersuchung zeigt, dass die funktionelle Gruppe des verwendeten FM einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten des Stick-Slip-Effekts und die Reibkraftcharakteristik hat. Bei der Verwendung von Dodecanol als FM ist die Verringerung des Stick-Slip-Effekts am Prüfstand deutlich schwächer, jedoch besser als mit dem verwendeten HLP 46 ohne FM. Als möglicher Grund für die unterschiedliche Wirksamkeit der FM werden die verschiedenen Adsorptionsmechanismen von Alkoholen und Säuren auf Metalloxiden identifiziert. Autoren: M.Sc. Felix Fischer, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hubertus Murrenhoff, Dr.-Ing. Olivier Reinertz; Institut für fluidtechnische Antriebe und Steuerungen (IFAS) der RWTH Aachen 14 Abweichungsmittel des HLP 46 mit Dodecanol (rechts) und Dodecansäure (links) bei 30 °C Fluidtemperatur der Säure und des Metalloxids ist eine Metallseife, welche reibungsreduzierend wirkt. Weiterhin werden die relativ zueinander bewegten tribologischen Oberflächen getrennt und somit die Reibung ebenfalls beeinflusst. Die Bindung von Alkoholen an Metalloxidoberflächen findet zumeist über einen Physisorptionsprozess durch Van-der-Waals-Kräfte statt [4]. Die so gebildete Schicht ist deutlich schwächer an die Oberfläche gebunden und kann schon bei geringer Belastung durch Scherung zerstört werden [4]. Dies kann eine Erklärung dafür sein, dass die Additivierung des HLP 46 mit Dodecanol eine weniger starke Reibungsreduktion zur Folge hat, als die Additivierung mit Dodecansäure. Bei TPU handelt es sich um ein polares Polymer [14]. Anlagerungen der FM auf der Dichtungsoberfläche sind demzufolge Physisorptionsprozesse. Möglicherweise können auf dem Polymer demnach Schichten, ähnlich denen auf dem Metalloxid gebildet werden, was die Wirkung von FM verbessern würde. In diesem Zusammenhang muss allerdings noch die langfristige Verträglichkeit vom Dichtungsmaterial mit den FM geklärt werden. ZUSAMMENFASSUNG Hydraulikzylinder besitzen, durch ihre weite Verbreitung in mobilen Anwendungen, eine große technische Bedeutung. Das Betriebsverhalten von Hydraulikzylindern wird insbesondere bei niedrigen Geschwindigkeiten maßgeblich von der Reibung in den hart-weich Kontakten der Dichtungen beeinflusst. Bei der Betrachtung der Reibung in hart-weich Dichtkontakten ist es aufgrund des viskoelastischen Verhaltens des Dichtungsmaterials notwendig Literaturhinweise: [1] Murrenhoff, H.: „Umdruck zur Vorlesung - Grundlagen der Fluidtechnik, Teil 1: Hydraulik“; Shaker; Aachen; 2011 [2] SKF Sealing Solutions GmbH: „Hydraulikzylinder“; http://www.skf-dichtungen.ch/index.php?id=204; Aufgerufen am 12.01.2016 [3] Fischer, F.; Heitzig, S.; Reinertz, O.: „Einfluss von Ölen auf das Reibverhalten von hart-weich-Dichtkontakten“; GETLUB Tribologie- und Schmierstoffkongress; Würzburg; 2016 [4] Czichos, H.; Habig, K. H.: “Tribologie Handbuch - Tribometrie, Tribomaterialien, Tribotechnik”; Vieweg + Teubner; 2010 [5] Tao, J.: „Untersuchung der physikalischen Vorgänge im Dichtspalt und des Reibverhaltens von Hydraulikstangendichtungen”; Dissertation; RWTH Aachen; 1991 [6] Heipl, O. P.: „Experimentelle und numerische Modellbildung zur Bestimmung der Reibkraft translatorischer Dichtungen”; Dissertation; RWTH Aachen; 2013 [7] McCrum, N. G.; Buckley, C. P.; Bucknall, C. B.: „Principles of polymer engineering”; Oxford University Press; Oxford; 1997 [8] DIN 51524 Teil 2: „Druckflüssigkeiten - Hydrauliköle - Teil 2: Hydrauliköle HLP; Mindestanforderungen“; Beuth; Berlin; 2006 [9] Ingram, M. et al.: „Frictional Properties of Automatic Transmission Fluids - Part I-Measurement of Friction–Sliding Speed Behavior”; Tribology Transactions; Nr. 54; S. 145–153; Taylor & Francis; London; 2010 [10] Moore, D. F.: „The Friction and Lubrication of Elastomers”; Pergamon Press; Oxford; 1972 [11] US Patent; Nummer 4664826; 1987 [12] Stachowiak, G. E.; Batchelor, A. W.: „Engineering Tribology”; Butterworth Heinemann; Oxford; 2000 [13] Jacobs, G.: „Vorlesungsumdruck Tribologie“; Mainz; Aachen; 2013 [14] Eyerer, P. et al.: „Polymer Engineering“; Springer; Heidelberg; 2008 ANMERKUNG DER REDAKTION Der vorstehende Fachbeitrag basiert auf einen Vortrag, der während des 19 th ISC Internationalen Dichtungskonferenz gehalten wurde. Die 20 th ISC findet am 10. und 11. Oktober 2018 in Stuttgart statt. O+P Fluidtechnik 11-12/2016 81

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