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O+P Fluidtechnik 3/2017

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INDUSTRIEPNEUMATIK de

INDUSTRIEPNEUMATIK de Maßnahmen nötig. Die zur Fehlererkennung nötigen Maßnahmen und Abläufe müssen häufig eigenständig erarbeitet und durch die Logik (Hardware inklusive Software) umgesetzt werden. BESCHREIBUNG UND AUSWAHL VON TEIL-SICHERHEITSFUNKTIONEN Eine Möglichkeit zur Realisierung der beiden vorgenannten Sicherheitsfunktionen SF1 und SF2 ist der STO (Safe Torque Off). Der STO beschreibt die Teil-Sicherheitsfunktion „sicher abgeschaltetes Moment“ für den Leistungsantrieb. Bei einem elektrischen Antrieb (Motor), wird der STO über die Wegnahme der elektrischen Energie zum Motor eingeleitet. Für den Schutz vor unerwartetem Anlauf ist das in der Regel einfach umzusetzen. Soll der STO auch zum Anhalten einer Bewegung genutzt werden, muss u.a. der Nachlaufweg bis zum Stopp der Bewegung im Rahmen der erforderlichen Risikobeurteilung berücksichtigt werden. Ist dieser Nachlaufweg zu groß, bieten sich alternative Teil-Sicherheitsfunktionen wie SS1 oder SS2 an. Diese sind aber in der pneumatischen Steuerungstechnik wenig verbreitet. Zum schnellen Anhalten bietet sich in der Pneumatik die Teil-Sicherheitsfunktion SSC (Safe Stopping and Closing) an. Beispielhaft stellt Tabelle 01 die mögliche Realisierung einzelner Teil-Sicherheitsfunktionen der DIN EN 61800-5-2 sowie der entsprechenden pneumatischen Teil-Sicherheitsfunktion aus dem Einheitsblatt dar. In der pneumatischen Antriebtechnik sind häufiger lineare als rotatorische Bewegungen zu finden. Bei einem horizontal eingebauten Antrieb, auf den keine externen Kräfte wirken ist der STO geeignet, um den Schutz vor dem unerwarteten Anlauf oder das Anhalten einer Bewegung sicherzustellen. Üblicherweise werden bei einem STO beide Kolbenräume des Leistungsantriebs entlüftet, damit kein Moment bzw. keine Kraft mehr auf den Antrieb wirkt. Bei einem vertikal oder schräg verwendeten Zylinder wirken dagegen immer externe Kräfte. Diese Kräfte resultieren aus dem Gewicht der Kolbenstange und einer Last, die an der Kolbenstange angreift. Wird der STO während der Bewegung durch Entlüften beider Kolbenräume eingeleitet, stoppt die Bewegung des Kolbens aufgrund der externen Kräfte erst in der Endlage des Antriebs. Dies könnte also zu Gefährdungen des Bedieners führen und ist daher in vielen Anwendungsfällen nicht geeignet. Für schwerkraftbelastete Achsen bietet sich typischerweise die Teil-Sicherheitsfunktion SSC (Safe Stopping and Closing) an. Befindet sich der Zylinder zum Zeitpunkt der Anforderung der Sicherheitsfunktion „Schutz vor unerwartetem Anlauf“ bereits in der unteren Endlage, kann ein STO diese Sicherheitsfunktion umsetzen. Dazu ist es nötig, die Zylinderposition sicher zu erkennen, was die Überwachungsfunktion SCA (Safe Cam), die auch als sichere Positionsüberwachung verstanden werden kann, beschreibt. BEISPIEL EINER EINKANALIGEN ELEKTRO- PNEUMATISCHEN STEUERUNG FÜR DEN STO Deutlich wird die Anwendung der Teil-Sicherheitsfunktion STO für die Sicherheitsfunktionen SF1 und SF2 im folgenden Beispiel, dargestellt in Bild 01. Es wird hier angenommen, dass keine externen Kräfte auf den horizontal bewegten Zylinder wirken. Das federzentrierte 5/3-Wegeventil 1V1 mit entlüfteter Mittelstel- 02 02 Sicherheitsbezogenes Blockdiagramm für das Beispiel nach Bild 01 PRODUKTE UND ANWENDUNGEN Teil-Sicherheitsfunktion Kurzbezeichnung Mögliche Realisierung nach Sicher abgeschaltetes Moment DIN EN 61800-5-2 VDMA Einheitsblatt 24584 STO Energiewegnahme zum Leistungs antrieb (Motor) Entlüften der Kolbenräume des Leistungsantriebes (Zylinder) Sicherer Stopp 1 SS1 Initiieren der Bremsung durch Impulsmuster und Überwachen der Bremsrampe mittels Winkeloder Wegmesssystem gefolgt von STO (in der zweiten Ausgabe der Norm mit SS1-r bezeichnet) Sicherer Stopp 2 SS2 Initiieren der Bremsung durch Impulsmuster und Überwachen der Bremsrampe mittels Winkeloder Wegmesssystem, gefolgt von SOS, wenn die Motordrehzahl unter einen festgelegten Grenzwert fällt (in der zweiten Ausgabe der Norm mit SS2-r bezeichnet) Sicheres Anhalten und Absperren Ausführung der Bremsung beispielsweise durch Druckänderung im Leistungsantrieb über Ventile, gefolgt durch STO Ausführung der Bremsung beispielsweise durch Druckänderung im Leistungsantrieb über Proportionalventile, gefolgt durch SOS. Beibehaltung der Lage unter Einwirkung extern wirkender Kräfte auf den Leistungsantrieb. SSC --- Durch Einsperren von Luft in den Kolbenräumen des Leistungsantriebes (Antriebszylinder) ohne Lageüberwachung und Lageregelung Sicherer Betriebshalt SOS Überwachung und Beibehaltung der Lage unter Einwirkung extern wirkender Kräfte auf den Leistungsantrieb Sichere Positionsüberwachung SCA Überwachung, ob die Motorwelle innerhalb eines festgelten Bereichs liegt Überwachung und Beibehaltung der Lage unter Einwirkung extern wirkender Kräfte auf den Leistungsantrieb Sichere Stellungsüberwachung am Leistungsantrieb (Zylinder) mit definierter Reaktion bei Verlassen der Position Tabelle 01 Vergleich ausgewählter elektrischer und pneumatischer Teil-Sicherheitsfunktionen für die Antriebstechnik 26 O+P Fluidtechnik 3/2017

INDUSTRIEPNEUMATIK Betriebssituation Fehlerannahme Auswirkung Stillstand Schalten von Ruhe- in Arbeitsstellung des Ventils Ein Kolbenraum wird belüftet und der andere bleibt entlüftet, woraus eine gefahrbringende Bewegung des Zylinders folgen kann Interne Leckage unter den Anschlüssen (1 nach 2 oder 4) Reduzierter Druckaufbau an Anschluss 2 oder 4, woraus eine gefahrbringende Bewegung folgen kann Anhalten Nicht Zurückschalten von 1V1 in die Mittelstellung Ein Kolbenraum bleibt belüftet und der andere bleibt entlüftet, so dass eine gefahrbringende Bewegung des Zylinders nicht stoppt Nicht vollständiges Zurückschalten von 1V1 bzw. Hängenbleiben in gesperrter Zwischenposition Tabelle 02 Fehlerannahmen und Auswirkungen für das Beispiel nach Bild 01 Die Druckluft wird in den Kolbenräumen eingesperrt, wodurch die gefahrbringende Bewegung des Zylinders nicht zwangsläufig stoppt lung wird funktional zum Verfahren des Zylinders, sowie zur Ausführung des STO genutzt. Mit Wegnahme der Ansteuerung sind beide Kolbenräume über die Anschlüsse 2 und 4 von 1V1 entlüftet. Einige Fehler bzw. Ausfälle und deren Auswirkung auf den Antrieb sind in Tabelle 02 beschrieben. Betrachtet sind der Stillstand, in dem das Ventil ohne Ansteuerung in Ausgangsschaltstellung verbleiben soll und das Anhalten aus der Bewegung, in der das Ventil von angesteuerter Arbeitsstellung mit Wegnahme der Ansteuerung in Ruhestellung schalten soll. Das sicherheitsbezogene Blockdiagramm besteht in diesem einfachen Beispiel nur aus der pneumatischen Antriebssteuerung in Kategorie 1 nach DIN EN ISO 13849-1, siehe Bild 02. KONSTRUKTIVE MERKMALE UND AUSFALLWAHRSCHEINLICHKEIT Um den Anforderungen der DIN EN ISO 13849-1 an die Kategorie 1 gerecht zu werden, bedarf es der Einhaltung der grundlegenden und bewährten Sicherheitsprinzipien der DIN EN ISO 13849-2 [5]. Insbesondere sind hier die ausreichend positive Überdeckung, die Federzentrierung und die Verwendung dauerfester Federn zu nennen. Außerdem muss es sich bei dem Ventil um ein für die Anwendung sicherheitstechnisch bewährtes Bauteil handeln. Die im Blockdiagramm nicht dargestellte elektrische Ansteuerung des Ventils muss ebenfalls den Anforderungen an die Kategorie entsprechen. Fehlererkennende Maßnahmen sind für die Kategorie 1 nicht vorgesehen. Demnach kann ein Fehler zum Verlust der Sicherheitsfunktion führen. Die für eine Sicherheitsfunktion erforderliche Berechnung der Wahrscheinlichkeit gefahrbringender Ausfälle pro Stunde (PFH D ) kann unter Verwendung der Software SISTEMA erfolgen, die das IFA zur Unterstützung der Anwendung der DIN EN ISO 13849 bereitstellt. Der Artikel zeigt, dass die im VDMA Einheitsblatt dargestellten Teil-Sicherheitsfunktionen, die in der elektrischen Antriebtechnik schon weit verbreitet sind, nun auch für die pneumatische Antriebtechnik beschrieben sind. Es ist zu erwarten, dass die Anwendung des Einheitsblatts für alle Beteiligten ein Gewinn ist – selbst der Arbeitsschutz kann davon profitieren. Fotos: Aufmacher fotolia www.dguv.de/IFA Literatur: [1] DIN EN ISO 12100, Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung, Berlin, Beuth, 2011-03 [2] DIN EN 61800-5-2 Elektrische Leistungsantriebssysteme mit einstellbarer Drehzahl – Teil 5-2: Anforderungen an die Sicherheit – Funktionale Sicherheit, Berlin, Beuth, 2017 (angekündigt) [3] DIN EN ISO 13849-1, Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen – Teil 1: Allgemeine Gestaltungsleitsätze, Beuth, Berlin, 2016-06 [4] VDMA Einheitsblatt 24584 „Sicherheitsfunktionen geregelter und nicht geregelter (fluid-) mechanischer Systeme“, Beuth, Berlin, 2016-08 [5] DIN EN ISO 13849-2, Sicherheit von Maschinen – Sicherheitsbezogene Teile von Steuerungen – Teil 2 - Validierung, Beuth, Berlin, 2013-02 Leitungslösungen, so einzigartig wie Ihre Ideen. Neu bei VOSS Fluid: Individuell für Sie hergestellte, einbaufertige Leitungssysteme mit perfekt aufeinander abgestimmten Hydraulikkomponenten. Mehr dazu unter: www.einzigartige-ideen.de 24. – 28. April Halle 21 Stand F37

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