ES KOMMT EINESPANNENDE EPOCHEModerne Hydraulische Systeme sollen höhere Energieeffizienz bei immenserRobustheit und präziser Steuerbarkeit an den Tag legen. Ein Schlüssel zurLösung sind fluid-mechatronische Systeme. In diesem Bereich forschtProf. Jürgen Weber, Leiter des Instituts für Fluidtechnik an der TU Dresden.Im Gespräch mit der O+P Fluidtechnik erklärt er unter anderem, warum inder Digitalisierung noch große Potenziale für die Hydraulik liegen.Welcher Weg hat Sie in den Bereich Fluidik und Mechatronik geführt? Gab es einen Schlüsselmoment,der die Begeisterung dafür geweckt hat?Während der Wehrdienstzeit hatte ich mit gesteuerten undgeregelten hydraulischen Antrieben für Verlegeeinrichtungenvon Nachrichtenkabeln zu tun. Das auf diese Weisegeweckte Interesse führte mich zur StudienrichtungWerkzeugmaschinen/Konstruktion mit der VertiefungsrichtungHydraulik, die damals von Prof. Dieter Will vertretenwurde, meinem späteren Doktorvater. Ein wesentlichesSchlüsselmoment war mein Ingenieurpraktikum im 7.Semester bei der Umformtechnik Erfurt, später Müller-Weingarten bzw. Schuler. Dort hatte ich die Aufgabe einenzwischen den Pleuelstangen einer mechanischenZweipunkt-Presse horizontal angeordneten Hydraulikzylinderszu konstruieren und dessen Steuerung zu entwickeln,der in der Bremsphase des Stößels Energie in einenhydrostatischen Speicher liefert und in der Beschleunigungsphasedes Stößels als Zusatzantrieb dient. Heutewürden wir von einem hybriden System sprechen. Dasbrachte mich auch mit mathematischer Modellierung undnumerischen Lösungsverfahren in Kontakt– System-Simulation.Ihr Lehrstuhl für fluid-mechatronische Systemtechnik (Fluidtronik) an der TU Dresden beschäftigt sich mit einem breitenSpektrum von Themen. Was war Ihrer Ansicht nach das einflussreichste Forschungsprojekt in den letzten 10 Jahren?MENSCHEN UND MÄRKTEEine punktuelle Antwort auf diese Frage ist aufgrund derVielfalt der Anwendungen und Branchen, in denen dieFluid-Mechatronik zum Einsatz kommt nicht möglich. Diezurückliegenden zwei/drei Dekaden waren und sind geprägtvon der Zielstellung effiziente Systemarchitekturenzu entwickeln, im Sinne der energetischen Effizienz sowieder Produktivität. Mit diesen Forderungen war ich in denJahren meiner Industrietätigkeit konfrontiert sowie amInstitut. Ich sehe insbesondere die Individualisierung unsererfluid-mechatronischen Systemarchitekturen in Leistungsversorgungund Steuerung für Industrieapplikationensowie für Mobile Arbeitsmaschinen als vorteilhaft undnotwendig. Dahingehend haben wir Projekte des IndependentMetering verfolgt und Projekte der Pumpensteuerung(displacement control) oder die Verschmelzung von Pumpemit drehzahlvariablen Servomotoren hin zu s.g. Kompaktachsen.Aus Systemanforderungen entspringen automatischProjektinhalte und Entwicklungsfragen, die sichauf die Komponenten richten, wie z.B. die Tribologie undvolumetrische Effizienz in hydrostatischen Verdrängernbei Drehzahlvariabilität und Richtungsumkehr, Ventilgestaltung,Aktorik, Transparenz von Strömungsphänomen,usw.Ein weiterer Schwerpunkt der letzten Jahre hat sich ausdem Datenmanagement / Datenverfügbarkeit im gesamtenEngineeringprozess sowie im Maschinen- und Anlagenbetriebentwickelt. Hier sehe ich in der Durchdringung multidimensionalerZusammenhänge und deren Zugänglichkeitdurch Lernalgorithmen ein riesen Potential, was unmittelbarmit Fragen der Digitalisierung verbunden ist.Die digitale Baustelle ist ein herausragendes Projekt der TU Dresden. Wie wirkt sich die Digitalität einer Baustelleauf die Hydraulik von Baumaschinen aus?Die Digitalisierung der Baustelle wird Schritt für Schritt dengesamten Bauprozess durchdringen (BIM), wird die imProzess eingebundenen Baumaschinen einschließen, bishin zum Anbaugerät und zum Baumaterial. Die Einbettungder Baumaschinen in ein Baustellenleitsystem wird derenKonnektivität vorantreiben, der Daten- und Informationsaustauschwird in beide Richtungen laufen – Aufgabenübertragungan die Maschine und „Vollzugsmeldung“ (asbuild status) an das Leitsystem zurück. All das treibt undmotiviert gegenwärtig die Schnittstellendefinitionen inInteressengruppierungen wie MIC4.0 im Rahmen desVDMA.10 O+P Fluidtechnik 2025/03 www.oup-fluidtechnik.de
Prof. Jürgen WeberAuswirkungen auf die Hydraulik von Baumaschinen, derenSubsysteme, Komponenten und Steuerungen wird in derzunehmenden (Teil-)Automatisierung zu sehen sein, dernotwendigen Datengewinnung und Datenverfügbarkeit.Für die Baumaschine müssen wir noch konsequenter nacheiner automatisierungsgerechten Systemgestaltung fragen,natürlich immer verbunden mit Bedienbarkeit, Produktivitätund einem Höchstmaß an Energieeffizienz bis künftighin zur Autonomie.Das Projekt BAUEN4.0 war auch aus unserer Sicht sehrerfolgreich, insbesondere was das übergreifende Verständnisder Digitalisierungsaspekte auf der Baustelle angeht.Das wurde natürlich nur durch die herausragende Kooperationsbereitschaftaller unsere Industriepartner möglich.Gibt es hier ein „Weiter“ – wenn ja, in welcher Form? Wie sehen Ihre nächsten Schritte aus?Ja, es hat sich im Rahmen der Strukturförderung in Sachsendie Chance geboten, mit dem Construction Future Lab(CFLab gGmbH) ein technologieorientiertes Unternehmenauszugründen, welches sich gesamtheitlich der Digitalisierungdes Bauprozesses, der Baustelle, der Sicherheit auf derBaustelle, der Vernetzung / Automatisierung von Baumaschinenbis hin zur Baurobotik widmet. Dabei sehen wir eineHauptaufgabe darin, aufbauend auf Forschungsergebnissendie Anwendbarkeit und Marktreife von Verfahren und Technologienzu entwickeln. Wir sind bewusst gemeinnützig undneutral aufgestellt und stehen dadurch mit unserer Kompetenzallen Playern auf der Baustelle als Partner zur Seite.In welchen Forschungsbereichen der Fluidtechnik erwarten Sie mittelfristig die spannendsten Erkenntnisse?Es hat sich in den letzten Jahren unter den Aspekten derElektrifizierung in der Antriebstechnik eine riesige Diversifizierungder Systemarchitekturen ergeben. Daher ringenauch die OEM insbesondere im Mobilbereich um die Frage,welche Maschine in welchem Applikationsbereich mit welcherPrimärleistungsquelle oder Kombinationen davon auszustattenist. Daran knüpft die Frage nach der bestmöglichenSystemarchitektur der Leistungsübertragung hin zu denAktoren der Ausrüstung oder Fahrfunktionen an. Bei batteriegespeistenMaschinen kommen Fragen des Thermomanagementhinzu. Dahingehend wird auch der Komplexitätsgradder Software auf der Maschine wachsen plus den obenangesprochenen Forderungen aus der Prozessdigitalisierung.Es wird eine spannende Epoche. Und gerade das sollteInteresse wecken und Lust machen Fluid-Mechatronik zustudieren!www.tu-dresden.dewww.oup-fluidtechnik.de O+P Fluidtechnik 2025/03 11
Laden...
Laden...