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O+P Fluidtechnik 4/2018

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O+P Fluidtechnik 4/2018

STEUERUNGEN UND

STEUERUNGEN UND REGELUNGEN VERGLEICHBARKEIT SCHAFFEN – GETRENNTE STEUERKANTEN UND DIE SICHERHEITSNORMEN Benjamin Beck, Eric Fischer, Jürgen Weber Systeme mit getrennten Steuerkanten bieten ein erhebliches Potenzial zur Steigerung der Effizienz und Erweiterung der Funktionalität ventilgesteuerter Antriebe. Bislang existieren allerdings nur wenige prototypische Umsetzungen. Ein Grund dafür stellen die sicherheits- und zuverlässigkeitstechnischen Anforderungen dar. In diesem Beitrag werden eine Methodik zur systematischen Analyse von Systemen mit getrennten Steuerkanten in verschiedenen Betriebspunkten und den darin möglichen Betriebsmodi bezüglich Sicherheit und Zuverlässigkeit sowie ausgewählte Quantifizierungsergebnisse und Prüfstandstests anhand einer Überlagerungslenkung vorgestellt. FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG Quelle: www.fendt.com, HNF Quelle: www.mascus.de 42 O+P Fluidtechnik 4/2018

STEUERUNGEN UND REGELUNGEN 1 EINLEITUNG Hydraulische Antriebssysteme mit getrennten Steuerkanten bieten sowohl funktionale als auch energetische Vorteile gegenüber konventionellen ventilgesteuerten Antrieben. Diese Vorteile können durch eine Vielzahl an Strukturvarianten realisiert werden, wie im Beitrag in O+P 3/2018 auf den Seiten 40 bis 49 ersichtlich wurde. Dennoch existieren nur vereinzelte prototypische Umsetzungen auf Maschinenebene. Eine Hürde stellen die bislang ungelösten Fragestellungen zur Sicherheit und Zuverlässigkeit von Systemen mit getrennten Steuerkanten dar. 2 STAND DER SICHERHEITSANALYSEN – GESETZESGRUNDLAGE Vor der Inverkehrbringung von Maschinen auf den europäischen Markt müssen Baumaschinenhersteller eine CE-Konformitätserklärung ausstellen, die besagt, dass unter anderem die Sicherheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG beim Bau der Maschine eingehalten wurden. Die zugehörigen harmonisierten Normen enthalten detaillierte technische Spezifikationen und stellen somit ein wichtiges Werkzeug für den Ingenieur bei der Realisierung von Maschinen dar. Eine Einhaltung dieser Normen ist zwar rechtlich nicht bindend, das Nichtbeachten kann im Schadensfall jedoch zu erheblichen juristischen Nachteilen führen. Bei ihrer Anwendung wiederrum kann eine Konformität zur Maschinenrichtlinie vermutet werden (Vermutungswirkung, Artikel 7 (2)) [1]. Die Beweislast, dass die Schutzziele nicht eingehalten wurden, liegt dann beim Staatsanwalt (Beweislastumkehr). Die wichtigsten sicherheitsrelevanten und mit der Maschinenrichtlinie harmonisierten Normen für fluidmechatronische Antriebssysteme in mobilen Arbeitsmaschinen sind die ISO 12100 und die ISO 13849. Beide zusammen bilden einen iterativen Sicherheitsentwicklungsprozess, bestehend aus Risikobeurteilung, Systementwurf und Sicherheitsbewertung. Die Risikobeurteilung ist stark applikationsspezifisch. Für eine bessere Veranschaulichung wird das methodische Vorgehen an der Arbeitshydraulik eines Baggers erläutert und an einer Traktorlenkung betrachtet. In Bezug auf Traktoren hat sich die EN 16590 basierend auf der IEC 61508 als sicherheitsrelevante harmonisierte Norm entwickelt. Der Systementwurf ist primär durch Funktionalität geprägt. Gerade bei Systemen mit getrennten Steuerkanten gibt es eine Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten, um verschiedene Funktionen abzubilden und Energie zu sparen. Dieser Aspekt wurde im Beitrag „Systemstrukturen mit getrennten Steuerkanten“ in O+P 3/2018 dargestellt. Die hier angewandte Struktur lässt sich ebenfalls in die vorgestellte Strukturierung einordnen. Einen Bestandteil der Sicherheitsbewertung stellt die Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeit pro Stunde (PFH d ) des entworfenen Systems bezogen auf die Sicherheitsfunktion dar. Dies ist einer der Hauptaspekte der ISO 13849 bzw. EN 16590. Ziel des iterativen Sicherheitsentwicklungsprozesses ist es, dass das entworfene System zur Ausführung der Sicherheitsfunktion einen geringeren PFH d - Wert aufweist als in der Risiko beurteilung spezifiziert wurde. Der berechnete PFH d - Wert ist dabei abhängig von der: 01 QII normal QIII n Systemarchitektur der Sicherheitsfunktion (Kategorie), n Ausfallwahrscheinlichkeit der Komponenten (MTTF d ), n Qualität der Fehlererkennung – Diagnosedeckungsgrad (DC) Die ISO 13849 bzw. die EN 16590 erlauben dabei nur vordefinierte Kategorien (B, 1, 2, 3 und 4), welche innerhalb eines europäischen Forschungsprojekt vom Institut für Arbeitsschutz (IFA) der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) aus Markov-Modellen abgeleitet wurden. Diese Kategorien erlauben die Einordnung einer Vielzahl an konventionellen Antriebssystemen [2]. Elektrohydraulische Antriebssysteme mit getrennten Steuerkanten lassen sich jedoch aufgrund ihrer komplexen Systemstruktur, den möglichen Fehlerkombinationen der eingesetzten Komponenten und den möglichen erweiterten Betriebsmodi nicht ohne weiteres in die Kategorien der ISO 13849 oder EN 16590 einordnen. Ein alternatives Analyseverfahren, welches darüber hinaus eine Bewertung der Zuverlässigkeit von Systemen mit getrennten Steuerkanten ermöglicht, wird nachfolgend vorgestellt. 3 MASCHINENANFORDERUNGEN Die Vorstellung des entwickelten Analyseprozesses erfolgt exemplarisch an der Arbeitshydraulik eines Baggers. Zur Steuerung des Baggerarms werden die drei Hauptverbraucher Ausleger-, Stielund Löffelzylinder gleichzeitig betätigt und an die Lastsituation angepasst. Die dabei auftretenden Zustände führen zu einer Verteilung der Betriebspunkte dieser Verbraucher in allen vier Quadranten des v-F L -Diagramms. Dies ermöglicht die Nutzung energieeffizienter Betriebsmodi der getrennten Steuerkanten, wie: n Hochdruckregeneration (HDreg: Pumpe ist mit beiden Zylinderkammern verbunden) und n Niederdruckregeneration (NDreg: Tank ist mit beiden Zylinderkammern verbunden). Durch den Einsatz von Differentialzylindern in mobilen Anwendungen kann nicht jeder Betriebsmodus in jedem Betriebspunkt genutzt werden. Dies ist in Bild 01 dargestellt. Betriebsbereiche und mögliche Betriebsmodi der getrennten Steuerkante am Differentialzylinder |v| |F L | F L |v| |F L | HDreg: NDreg normal HDreg: F L > F L,lim FL < F L,lim |v| |v| normal |F L | |F L | normal HDreg NDreg QI O+P Fluidtechnik 4/2018 43 v QIV

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