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O+P Fluidtechnik 6/2017

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VERBINDUNGSELEMENTE 16

VERBINDUNGSELEMENTE 16 Übersichtsnomogramm für HLP 46, 40 °C und 100 000 bar/s kritischer Druckgradient FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG tischen Druckgradienten wird somit für längere Ventilschließzeiten zu höheren Strömungsgeschwindigkeiten hin verschoben. Bei einer längeren Tankleitung wird der Einfluss der Reibung auf das Druckschlagverhalten immer dominanter. Die Reibung in der Tankleitung kann in Analogie zum schwingenden Feder-Masse- System mit der Systemdämpfung verglichen werden. Für das dynamische System „Tankleitung“ ist die Systemdämpfung gekoppelt an den Gleichgewichtszustand zwischen verfügbarer treibender Druckdifferenz und der reibungsbedingten maximalen Strömungsgeschwindigkeit. Die genauen Wirkzusammenhänge zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Rohrreibung auf das Druckschlagverhalten in einer Tankleitung werden die Autoren im Rahmen einer weiteren Veröffentlichung untersuchen, bei der dann auch der Einfluss des Leitungsdurchmessers, der über die Reynolds-Zahl wiederum die Reibung beeinflusst, berücksichtigt wird. Ziel der Tankleitungsauslegung muss es sein, den Diesel-Effekt auf jeden Fall zu vermeiden. Hierzu ist es ausreichend, wenn zunächst der kritischste Betriebspunkt überprüft wird. In den Übersichtdiagrammen von Bild 16 repräsentiert die 10-ms-Ventilschließzeit diesen kritischsten Betriebspunkt, da hier der in die Tankleitung einströmende Volumenstrom am schnellsten abgeschaltet wird und somit mit den längsten Beschleunigungsstrecken für die rückströmende Fluidsäule zu rechnen ist. Bild 17 zeigt die Zusammenstellung der 10-ms-Grenzkurven bei unterschiedlichen Brems-Druckdifferenzen zu einem abschließenden zusammenfassenden Nomogramm. Die Achsen des Nomogramms wurden auf eine Tankleitungslänge von 4 m und eine Strömungsgeschwindigkeit von 4 m/s verkürzt, um diesen für die Praxis interessanten Betriebsbereich besser auflösen zu können. VERMEIDUNG VON DIESEL-EFFEKTEN IN DER TANKLEITUNG Der in offenen Tanks vorhandene Atmosphärendruck reicht häufig nicht zur dieseleffektfreien Abbremsung des rücklaufenden Fluidstromes aus. Die überlieferten Rücklaufleitungs-Geschwindigkeits- Empfehlungen sind oft zu hoch. Durch eine Vergrößerung des Leitungsquerschnittes oder durch Verlegen von Parallel-Leitungen lässt sich die Geschwindigkeit meistens unter die kritische Grenze absenken. Reicht das nicht aus, sind zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Eine Maßnahme ist die Druckkapselung des Tanks und die Erhöhung des Druckes im Inneren mittels Druckluft (Bild 18, a). Das ist eine bei großen Pressen schon lange angewandte Methode. Jedoch ist die Druckhöhe aufgrund der großen druckbeaufschlagten Flächen eingeschränkt. 48 O+P Fluidtechnik 6/2017

VERBINDUNGSELEMENTE Eine zweite Methode ist der Einbau eines Rückschlagventils am Ende der Tankleitung als sogenanntes „Fußventil“ (Bild 18, b). Hierzu werden üblicherweise ISO-Cartridge-Ventile verwendet, die mit Federn bis ca. 4 bar vorgespannt werden können. Die 4 bar Vorspanndruck addieren sich zum Atmosphärendruck, sodass sich ein Brems-Differenzdruck von 5 bar ergibt. Wichtig ist, dass die Steuerölführung zum Cartridgekegel so groß dimensioniert wird, dass das Ventil dynamisch den Volumenstromschwankungen folgen kann. Eine dritte Methode ist der Einbau einer Drossel, ebenfalls am Ende der Tankleitung (Bild 18, c), die auf die Erzeugung der gewünschten Brems-Druckdifferenz bei einem mittleren Volumenstrom ausgelegt wird und der Ausgleich der Volumenstromdifferenzen durch einen Hydraulik-Speicher erfolgt. Mit dieser Methode können beliebig hohe Brems-Druckdifferenzen erzeugt werden. Alle diese zusätzlichen Maßnahmen der Brems-Druckdifferenz-Erhöhung erfordern zwar Energie. Dafür werden jedoch Störungen und Schäden durch Explosionen vermieden und die Lebensdauer der Anlage verlängert. ZUSAMMENFASSUNG Die Fluidtechnik befindet sich in härtestem Wettbewerb mit der Elektromechanik. Jede der beiden Technologien hat ihre Stärken und Schwächen. Die Fluidtechnik hat große Vorteile in Bezug auf Leistungsdichte, Leistung „um die Ecke herumführen“ und mehrere Abtriebe zentral aus einer Antriebseinheit zu versorgen. Diese Vorteile kommen nur zum Einsatz, wenn die Schwächen der Fluidtechnik nicht zum Hindernis werden. Das Fluid als Betriebsmedium kann wie Stahl mit höchster Druckfestigkeit beansprucht werden. Im Gegensatz zu Stahl erlaubt es jedoch keine Zugbeanspruchung. Da Fluide auch als Schmiermittel in Motoren und Getrieben verwendet werden, hat sich die Auffassung verbreitet, das Fluid toleriere klaglos alle Formen der Beanspruchung, also auch die Zugbeanspruchung. Schon in den 70er Jahren lagen umfassende Forschungsergebnisse vor, die die schädliche Wirkung von Luft im Fluid und Diesel-Effekten auf die gesamte Hydraulikinstallation zeigten. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Beanspruchung der Fluide immer weiter gesteigert, weil hydraulische Antriebe zur Reduzierung der Zykluszeit immer dynamischer werden mussten, was zu höheren Fluidaustauschraten führte. Der Rücklauf zum Tank jedoch wurde oft noch anhand von überlieferten Faustformeln ausgelegt. Das führte zunehmend zu Beschädigungen der Anlage durch Kavitation, Druckschläge und Diesel-Effekte. Eine Wiederaufnahme der Forschung war hier zwingend erforderlich, um mit neuen Erkenntnissen und Methoden die Funktionalität der Tankleitung der gesteigerten Leistungsfähigkeit des gesamten Fluidsystems anzupassen. www.fluidon.com 17 Grenzkurven für HLP 46, 40 °C und 100000 bar/s kritischer Druckgradient bei 10 ms Ventilschließzeit und unterschiedlichen Brems-Druckdifferenzen 18 Verschiedene Methoden zur Erhöhung des Brems-Differenzdruckes in der Tankleitung Literaturhinweise [1] Seite „Strömungen in Rohrleitungen“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. Dezember 2016, 22:10 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/ wiki/Strömungen_in_Rohrleitungen (Abgerufen: 30. Dezember 2016, 06:54 UTC) [2] Findeisen, D.; Helduser, S.: „Ölhydraulik – Handbuch der hydraulischen Antriebe und Steuerungen“, 6. Auflage, Springer Vieweg, 2015, Seite 84 [3] Murrenhoff, H.: „Grundlagen der Fluidtechnik, Teil 1: Hydraulik“, Umdruck zur Vorlesung, RWTH Aachen, 2012 [4] Seite „Kavitation“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22. Dezember 2016, 18:35 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title =Kavitation&oldid=160901751 (Abgerufen: 4. Januar 2017, 09:25 UTC) [5] Matthies, H. J.; Renius, K. T.: „Einführung in die Ölhydraulik – Für Studium und Praxis“, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2014 [6] Seite „Dieseleffekt“. In gbt.ch – Wissensdatenbank zur Gebäudetechnik, URL: http://www.gbt.ch/Lexikon/D/Dieseleffekt.html (Abgerufen: 4. 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URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Druckstoß (Abgerufen: 30. Dezember 2016, 06:53 UTC) [13] Seite „Druckverlust“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. August 2016, 11:15 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?tit le=Druckverlust&oldid=156685723 (Abgerufen: 8. Januar 2017, 10:05 UTC) [14] Müller, B.: „Einsatz der Simulation zur Pulsations- und Geräuschminderung hydraulischer Anlagen“, Dissertation RWTH Aachen, 2002 [15] n. n.: DSHplus – Simulationsprogramm für fluidtechnisch mechatronische Systeme, Fluidon Gesellschaft für Fluidtechnik mbH, Aachen, 2017 [16] Seite „Dampfdruck“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 16. Dezember 2016, 15:03 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title= Dampfdruck&oldid=160707675 (Abgerufen: 13. Januar 2017, 07:40 UTC) [17] Schrank, K.: „Eindimensionale Hydrauliksimulation mehrphasiger Fluide“, Dissertation RWTH Aachen, 2015 Autoren: Dr.-Ing. Heiko Baum, Fluidon Gesellschaft für Fluidtechnik mbH, Jülicher Straße 338a, 52070 Aachen; Dr.-Ing. Gerd Scheffel, Parker Hannifin GmbH, Gutenbergstr. 38, 41564 Kaarst O+P Fluidtechnik 6/2017 49

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