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O+P Fluidtechnik 6/2025

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WISSENSCHAFTFORSCHUNG

WISSENSCHAFTFORSCHUNG UND ENTWICKLUNG0203Untersuchungen des Schneidvorgangs mit einem frischen MaishalmZukünftige Entwicklungspfade in der Landtechnik (nach https://doi.org/10.5073/JfK.2019.04)Weltleitmesse für Landtechnik, der Agritechnica. Am Stand E06in Halle 24 werden die Themen und Projekte aus den IMN-Arbeitsgruppen präsentiert, die sich im Folgenden vorstellen.PROZESS- UND VERFAHRENSTECHNIKEine der größten Herausforderungen, vor der die Landtechnikherstellerzurzeit stehen, ist die Wahl einer geeigneten Alternativefür den Dieselmotor bzw., für den fossilen Dieselkraftstoff. Umzur Lösung beitragen zu können, wurde in den letzten Jahren amInstitut ein Simulationswerkzeug, die Landwirtschaftliche Verfahrenssimulation,entwickelt. Mit dessen Hilfe kann u. a. dasEinsatzpotential alternativer Antriebskonzepte untersucht undbewertet werden. Das entwickelte Simulationsmodell wird umfangreichin Projekten eingesetzt, um zum Beispiel den Einsatzvon Wasserstoff-Brennstoffzellen-Traktoren und auch vollständigelektrisch oder mit Biogas betriebene Maschinenparks zu untersuchen.Durch die flexible Definition derbetrieblichen Gegebenheiten, also derHofstelle mit Lade- und Tankstelle, denFeldern in realer Größe und Lage mit dendaraus resultierenden Hof-Feld-Entfernungen,dem Wegenetz sowie der gesamtenMaschinenausstattung lässt sich dieEignung alternativer Antriebskonzepteund vieles mehr für individuelle Betrieberealitätsnah bewerten (Bild 01).So wird in dem aktuellen VerbundprojektPoWer (gefördert durch das Bundesministeriumfür Wirtschaft und Energie)zusammen mit den zahlreichen Partnernaus Industrie und Forschung der Einsatzvon Wasserstoffverbrennungsmotoren inlandwirtschaftlichen wie auch bauwirtschaftlichenVerfahren untersucht. Gemeinsamkeitder untersuchten alternativenAntriebskonzepte ist die Herausforderunggeringer maschinenseitig mitführbarerEnergie. Dies bedeutet für die Zukunft,dass neben neuen Antriebskonzepten auchalternative Energieversorgungskonzepteerarbeitet werden müssen. Das IMN untersuchthier zusätzliche mobile Tankstellenwie beispielsweise H2-Tankcontainer aberauch mobile Tankfahrzeuge.In einem zweiten Schwerpunkt widmetsich diese Arbeitsgruppe simulativ und experimentellden landwirtschaftlichen Arbeitsprozessen.Diese Prozesse, die entscheidendfür den Energieverbrauch unddie Arbeitsqualität der Maschinen sind,gilt es effizient zu gestalten, sowohl dieProzesse an sich wie auch deren Entwicklung.Aktuelle Beispiele am IMN sind Bodenbearbeitungsvorgängeund derSchneidprozess von Maispflanzen in derSchneidtrommel eines Feldhäckslers. Dadiese Prozesse nicht in vollem Umfang aufPrüfständen untersucht werden können,wird für das bessere Prozessverständnisauch hier auf die simulative Abbildung gesetzt.In diesem Fall ist das die sogenannteDiskreten Elemente Methode (DEM), mitder das physikalische Verhalten auf dieKräfte und Bewegungen einzelner verbundenerKugelelemente zurückgeführt wird.GRUNDLAGENFORSCHUNG FÜR DIE PRAXISIm Rahmen der Experimente geht es um Anwendungs- und genausoum tiefgehende Grundlagenforschung. So fördert dieDeutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Vorhaben, in demsehr grundlegend ein ganz neues DEM-Modell für das Schneideneines Maisstängels entwickelt wird. Das dient dazu, ein nochviel tiefergehendes Verständnis vom Schneidprozess – beispielweisean den Messern einer Häckseltrommel – zu erlangen.Grundlage der Entwicklung eines solchen Modells sind umfangreicheSchneidversuche, für die am Institut eigens ein Schneidprüfstandentwickelt und gebaut wird. Dieser ermöglicht es, praxisnaheSchneidgeschwindigkeiten bis zu 40 m/s abzubilden,mit hochpräziser Messtechnik die resultierenden Kräfte aufzuzeichnenund die Vorgänge visuell festzuhalten. Zur Untersuchungvon Bodenbearbeitungsvorgängen stehen sowohl ein mobilerPrüfstand für Feldversuche als auch ein stationärer Prüf-26 O+P Fluidtechnik 2025/06 www.oup-fluidtechnik.de

WISSENSCHAFTstand als rotierende Bodenrinne fürreproduzierbare Untersuchungen unterLaborbedingungen zur Verfügung.04Die Messungen dienen der Erstellungund der Absicherung von virtuellenBodenmodellen in der DEM. Durchdie simulative Abbildung dieser Prozesseentstehen auch hier Modelle,die das Verständnis von den Vorgängenverbessern, und es entstehen Entwicklungswerkzeuge,mit denen sichLandtechnikhersteller in Zukunft bestimmteFeldversuche ersparen unddadurch die Entwicklung beschleunigenkönnen.Das bessere Verständnis von denProzessen wird in Zukunft auch dazubeitragen, diese effizienter zu gestalten.Im Grunde entsteht und resultiertder Energiebedarf der Landmaschinenzu einem Großteil aus diesen Prozessen,aber natürlich auch aus der Fortbewegung der Maschinen.Damit kommt in systemischer Betrachtung die Antriebstechnikins Spiel.ANTRIEBSSYSTEMEDAS IMN IST AUF DERAGRITECHNICA MIT THEMENUND PROJEKTEN PRÄSENTDie Arbeitsgruppe Antriebssysteme setzt sich transdisziplinärmit den funktionalen wie auch energetischen Aspekten von FahrundArbeitsantrieben mobiler Maschinen auseinander. Hier stehtneben der Analyse, Berechnung und Validierung vor allem dermethodische Ansatz zur Antriebsstrangentwicklung im Vordergrund.Dabei wird sich auf die zentralen Randbedingungen Lastkollektiveund Lösungsräume fokussiert. Wenngleich es rechteinfach ist, Lastgrößen im Antriebsstrang bestehender Maschinenkonzeptezu erheben, so ist der Transfer auf größenskalierteMaschinen aufwendiger und wird zusätzlich erschwert, wenn Topologie-oder Technologieanpassungen an den Fahr- oder Arbeitsantriebenvorgenommen werden.Diesen Herausforderungen begegnet das IMN durch die Verknüpfungder situativen Verfahrensabbildung (die Aufgabe derMaschine im Verfahren) mit der modellbasierten Maschinenbeschreibungsowie den übergeordneten steuernden bzw. regelndenBetriebsstrategien. Im oben schon genannten Projekt PoWerwird u. a. die Substitution von Dieselmotoren durch Wasserstoff-Verbrennungsmotoren im Maschinenfuhrpark eines Tagebausuntersucht. Für Lkw werden gemeinsam mit Herstellern, auch inöffentlich geförderten Projekten (BMVI, NBank), Lösungen fürAntriebskonzepte mit Brennstoffzellensystemen erarbeitet. Dabeiwerden prädiktive, vorausschauende Betriebsstrategien entworfen,die das gesamte Antriebssystem, das Fahrzeug und dieFahrzeugnutzung berücksichtigen. Über die verknüpfte Logistiksimulationkann, analog zur Verfahrenssimulation, die Skalierungder Antriebe und Speicher wie auch eine Gesamtbewertungabhängig vom Einsatzfall vorgenommen werden.SYSTEMSIMULATION UND MOBILHYDRAULIKDas zweite Fokusthema betrifft Methoden zur geschickten Lösungsfindungvon Antriebsstrukturen aus den heute möglichenBestimmung des Zuckerrübenertrags aus den Prozessparametern des Rübenrodersunzähligen Lösungsvarianten. Durch die transdisziplinäre Vermischungmechanischer, hydraulischer und elektrischer Antriebeim Lösungsraum für Fahr- und Arbeitsantriebe ist es durch dieheutigen Entwicklungszyklen nur noch schwer möglich, auf analytischem,händischem Wege eindeutige Vorzugslösungen zuidentifizieren. Hier hilft die Systemsimulation – ergänzt durchzum Beispiel Matlab-Skripte oder heuristische Suchalgorithmen– zügig und technologieübergreifend funktionale beziehungsweiseenergetische Vorzuglösungen zu ermitteln.Ein wichtiges Thema für das IMN ist weiterhin die Mobilhydraulik.Neben schaltungs-technischen Fragestellungen wirdaktuell, durch das Landwirtschaftsministerium BMLEH gefördert,ein neuartiges Hydraulikfluid untersucht. Nach sehr erfolgreichenGrundlagenprojekten wird nun die Anwendung einesauf Wasser, Glycerin und Chitosan, also auf abbaubare natürlicheRohstoffe, basierenden Fluides in Kompaktantrieben untersucht.Das Vorhaben zielt darauf ab, elektrifizierte Fahrzeugeunter anderem mit elektro-hydraulischen Zylinderantrieben –mit dem neuen Fluid gefüllt – weitgehend nachhaltig darstellenzu können.AUTOMATISIERUNGS- UND ROBOTERSYSTEMEWeiteres enormes Potential für die Zukunftsgestaltung mobilerMaschinen und deren Anwendung bietet die Vielfalt der Automatisierung.Im Mittelpunkt der diesbezüglichen Arbeitsgruppe Automatisierungs-und Robotersysteme steht die Weiterentwicklungmobiler Maschinen – vor allem für die Landtechnik – mitdem Ziel, Automatisierungsgrade zu erhöhen, Prozesse effizienterzu gestalten und nachhaltige Pflanzenbausysteme zu ermöglichen.Dabei wird bewusst nicht nur vom heutigen Standpunktaus nach vorne geschaut, sondern auch erforscht, inwiefern neueTechnologien disruptive Ansätze ermöglichen können, wie esBild 03 zeigt. Die bereits vorgestellte Landwirtschaftliche Verfahrenssimulationwird an dieser Stelle genutzt, um vor allem Fragenin Bezug auf neue Maschinen- beziehungsweise Roboterkonzeptezu untersuchen und zu evaluieren. So wird zum Beispiel mitvielen Partnern im Rahmen der niedersächsischen Projekte ZukunftslaborAgrar (ZLA) und KI-Reallabor (RLA) an digitalenZwillingen und dem Konzept Spot Farming geforscht.Daneben wurden und werden im Rahmen von öffentlich gefördertenProjekten konkrete Fragestellungen rund um die Vernetzungmobiler Maschinen, sei es über 5G oder WLAN, an Datenstrukturen,Edge- und Cloud-Architekturen zur Datenauswertungund dem Betrieb verschiedenster Robotersysteme und auchDrohnen beforscht und beantwortet.www.oup-fluidtechnik.de O+P Fluidtechnik 2025/06 27

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