Aufrufe
vor 7 Jahren

O+P Fluidtechnik 7-8/2016

O+P Fluidtechnik 7-8/2016

FORSCHUNGSDIALOG STEAM

FORSCHUNGSDIALOG STEAM ist ein hydraulisches System. Kann man für ein solches System eine höhere Marktakzeptanz erwarten? Feld: Es gibt bereits heute sehr erfolgreiche Beispiele am Markt, z.B. Hybridbagger oder Hafenumschlagmaschinen, auf denen große Speichervolumina installiert sind. Wir sprechen von mehreren hundert Litern Speicher-Volumen. Die Akzeptanz für hydraulische Hybride ist also mehr als gegeben. Wenn wir von einer Akzeptanz des äußerlichen Erscheinungsbildes eines Hybrid-Baggers reden, wäre sicherlich eine Umsetzung des STEAM-Systems möglich, bei der sich die Maschine nicht von einer Konventionellen unterscheidet. Mager: Wir bei Parker machen ebenfalls die Erfahrung, dass die Akzeptanz für den Einsatz von Speichern in Hybridlösungen am Markt grundsätzlich vorhanden ist. Voraussetzung hierfür ist, dass sich der Einsatz der Speicher über die Gesamtlebensdauer des Fahrzeuges finanziell lohnt. Beim STEAM-System wurde versucht, mit der definierten Vorgehensweise einen maximal möglichen Effizienzgewinn zu erzielen, ohne dass hierbei Kostenaspekte näher in Erwägung gezogen wurden. Bei einer Umsetzung dieses Konzeptes für eine Serienanwendung würde man zuvor genau analysieren, welche konkreten Maßnahmen energetisch gesehen den meisten Nutzen bringen, um anschließend dann auch nur diese umzusetzen, damit ein maximaler Gesamtkosteneffekt erzielt wird. FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG In welche Richtung entwickelt sich der Zylinder? Vukovic: Generell wird die Marktakzeptanz für Innovationen steigen. Die kommende Generation von Maschinenführern ist mit Smartphones aufgewachsen. Sie werden digitale Technologien auch auf ihrem Arbeitsgerät fordern. Diese Generation will nicht mehr auf den konventionellen Maschinen arbeiten, sondern etwas Neues sehen. Heemskerk: Bei kleineren Endkunden wird es etwas länger dauern bis die Akzeptanz steigt – gerade angesichts der bereits angeführten Serviceproblematik. STEAM löst jedoch eine der großen Schwierigkeiten bei der Auslegung mobiler Maschinen: die nicht konstant verfügbare Leistung des Dieselmotors. Dadurch muss man die Dynamik der Maschine an die gerade zur Verfügung stehende Dieselleistung anpassen. Bei STEAM steht die Leistung, bedingt durch die Systemarchitektur, immer sofort zur Verfügung – somit ist die größte Schwierigkeit bei der Steuerungs auslegung ausgemerzt. Ein solches System ermöglicht eine viel größere Dynamik und vermindert die Kompromisse, die ich bei der Auslegung des Systems eingehen muss. Faß: Unsere Maschinen sind bereits mit Speichern ausgerüstet, die den Ausfall der Hydraulikanlage kompensieren. Das ist allein schon den gesetzlichen Sicherheitsbestimmungen geschuldet. Genau darin liegt der Vorteil des STEAM-Systems. Wir beherrschen die Speichertechnologie dank unserer langjährig aufgebauten Hydraulikkompetenz. Dasselbe gilt für unsere Kunden bezüglich Service und Wartung. Die vergleichsweise geringe Komplexität der Technologie und das großen Know-how, das bereits in der Branche besteht, machen Hydraulikspeicher sehr attraktiv für uns. Feld: Gerade der zusätzliche Wartungsaufwand einer mit Hydrospeichern ausgerüsteten Maschine hält sich in Grenzen. Die gesetzlich vorgeschriebenen wiederkehrenden Prüfungen können beispielsweise im Rahmen eines normalen Servicetermins für die Maschine durchgeführt werden. Murrenhoff: Speicher, egal ob Blasen- oder Kolbenspeicher, sind prinzipiell sehr einfache Bauteile. Um die angesprochenen wiederkehrenden Überprüfungen durchzuführen, müssen sie demontiert und einer Druckprüfung unterzogen werden. Dieses Verfahren ist relativ simpel und kostengünstig realisierbar, vorausgesetzt die entsprechenden Wartungsstrukturen sind vorhanden. Der hydraulische Speicher ist das Pendant zum Supercap in der E-Technik. Man kann riesige Energie mengen in kurzer Zeit verschieben. Geschieht dies häufig, sinkt jedoch die Lebensdauer des Akkus sehr schnell. Der hydraulische Speicher ist prädestiniert für Anforderungen einer mobilen Maschine: Über den Zyklus werden durch den Speicher Leistungsspitzen abgedeckt und die Verbrennungsmaschine liefert nur die durchschnittliche Leistung. Vukovic: Es ist allerdings auch anwendungsabhängig, welche Speichertechnologie sich anbietet. Beispielsweise birgt beim Bagger der Ausleger das größte Potenzial zur Energierückgewinnung. Er wird zurzeit mit einem hydraulischen Differenzialzylinder angetrieben. Dies wird sich in der näheren Zukunft auch nicht ändern, da keine andere Technologie lineare Bewegungen so einfach und kostengünstig realisieren kann. Wenn die Bewegung hydraulisch ausgeführt wird, sollte man dann, um Wandlungsverluste zu vermeiden, auch hydraulisch speichern. Für Rotationsantriebe, z.B. den Fahrantrieb oder das Drehwerk, wo kosten günstige und leistungs fähige Elektromotoren verfügbar sind, könnte eine elektrische Speicherung sinnvoll sein. Faß: Prinzipiell sollte der Leitsatz heißen: So wenig Energiewandlung wie möglich. Solange ich mit einem Dieselmotor fahre, macht es wenig Sinn, die Energie elektrisch zu speichern, um sie dann meinen hydraulischen Linearantrieb zuzuführen. In diesem Fall kann ich mir eine Wandlung sparen; allein schon vor dem Hintergrund der Thermodynamik. Feld: Es existieren am Markt bereits Hybrid-Maschinen mit Mehrkammerzylindern, zum Beispiel im Bereich der Material Handler für den Hafen-Umschlag. Mehrkammerzylinder sind jedoch in ihrem Aufbau recht komplex und es stellt sich die Frage, ob man sie wirklich braucht, wenn man die selbe Funktionalität mit einem dritten Zylinder zu ähnlichen oder niedrigeren Gesamtkosten erreichen kann. Mager: Aus unserer Erfahrung heraus wird der Zylinder sehr häufig relativ unabhängig von der Ansteuerungstechnik in der mechanischen Konstruktion des Maschinenherstellers festgelegt. Wenn es dann zur Steuerungsauslegung kommt, lässt er sich häufig nur noch schwer wieder ändern. Ich denke, dass 56 O+PFluidtechnik 7-8/2016

FORSCHUNGSDIALOG der Zylinder auch in der Mobilhydraulik zukünftig noch stärker als eine Funktionseinheit gesehen werden muss, in die Ventile, Messtechnik und Verbindungstechnik integriert sind. Eine solche Funktionseinheit hat dann sicher auch Potenzial für energetische Optimierungen. Heemskerk: Der Mehrkammerzylinder ist sicher spannend, stellt aber auch große Herausforderungen an Robustheit und Dichtungstechnik. Dennoch erlaubt der Bauraum manchmal lediglich eine Mehrkammerlösung. Am Stiel oder am Löffel kann man keine Drei-Zylinder-Lösung implementieren. Aus diesen Gründen gibt es Potenzial für diese Technologie, da sie auch energetisch Vorteile bietet. Die hohen Kosten stellen jedoch ein Hindernis für den Eintritt in den Massenmarkt dar. In Einzelanwendungen, in denen Mehrkammerzylinder auch wirtschaftlich betrieben werden können, wird man dennoch immer wieder auf solche Lösungen zurückgreifen. Vukovic: Vom Mehrkammerzylinder und den Themen Wirkungsgrad bzw. Effizienz abgesehen, stellt auch der Intelligente Zylinder ein Feld mit großem Entwicklungspotenzial dar, gerade hinsichtlich integrierter Weg- und Druckmessung. Die Intelligenz wird immer wichtiger vor dem Hintergrund der steigenden Automatisierung und immer verbreiteter aufkommenden Condition-Monitoring-Systemen. Faß: Auch wir bei Volvo beobachten den Mehrkammerzylinder, aber ich kann mich Herrn Heemskerk nur anschließen: hochspannend, aber nur für ausgewählte Anwendungen. Bei uns gibt es momentan noch keine Anwendung, in der diese Technologie eingesetzt wird. Murrenhoff: Für den Fahrzeugbau gibt es an der TU Darmstadt bereits erste Ansätze bezüglich der Entwicklung des kontinuierlich flächenverstellbaren Zylinders. Ehrlicherweise sind es pneumatische Aktuatoren und lediglich für geringe Drücke geeignet. Jedoch beweist dies, dass es erste Ideen in diese Richtung gibt. Gänzlich undenkbar, wie noch vor einigen Jahren angenommen, ist die Umsetzung der Technologie nicht mehr. Die Ventiltechnik spielte bei STEAM eine zentrale Rolle. Was war Ihr Ansatz? Vukovic: Wir haben neue Schaltungen mit Standardkomponenten entwickelt. Diese Standardkomponenten haben wir verwendet, um eine höhere Akzeptanz für unsere Lösung zu generieren. Allerdings geht damit das Problem der suboptimalen Auslegung der Ventile für diese Anwendung einher. Bei einem möglichen Nachfolgeprojekt müsste man für die Anwendung optimierte Ventile entwickeln – uns hat in diesen drei Jahren schlicht die Zeit dafür gefehlt. Unser Ansatz war es, lediglich die Funktionsweise und das Potenzial von STEAM zu belegen. Synek: Die Aufgabe der Ventilentwicklung ist nicht am Institut angesiedelt. Dafür stehen die Kooperationspartner aus der Industrie zur Verfügung, die an dieser Stelle auf die Bedürfnisse der Forschung eingehen sollten. Heemskerk: Bei STEAM kamen standardisierte Industriekomponenten zum Einsatz, da sie leicht miteinander kombinierbar sind und kein Spezialwerkzeug benötigen. Wir arbeiten aber an Schnellschalt-Ventiltechnik, Digitalhydraulik oder aufgelösten Steuerkannten, die an die speziellen Bedürfnisse von Offroad-Anwendungen angepasst sind. Die system- und anwendungsspezifischen Anforderungen an die Ventiltechnik, wie z. B. die optimale Schaltzeit, könnte man in einem fortgeschrittenen Projekt intensiver untersuchen. Gab es bei STEAM noch Potenzial hinsichtlich des Wirkungsgrades der Pumpe? Vukovic: Die Nutzung mehrerer abschaltbarer Pumpen könnte weitere Effizienzgewinne nach sich ziehen, da man dadurch Teillastverluste minimieren kann. Meines Wissens gibt es bereits Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die in diese Richtung zielen. Mager: Potenzial gibt es sicher noch bei der Betrachtung von Verbrennungsmotor und Pumpe als eine Einheit. Eine noch intensivere Betrachtung, unter welchen Bedingungen beide Komponenten in einem möglichst guten Wirkungsgradbereich arbeiten, wäre sicher interessant. Unter diesem gesamtheitlichen Ansatz würde auch die Analyse unterschiedlicher Pumpenkonzepte zu neuen Erkenntnissen führen. Hierzu müssten allerdings auch Experten aus der Motorentechnik eingebunden werden. Heemskerk: Die Pumpe in unserem STEAM-Projekt hatte einen guten Wirkungsgrad, das haben die Messungen belegt. An der Pumpe selbst ist das Potenzial also überschaubar. Durch Kombination mehrerer Pumpen könnte man noch ein paar Prozent heben, gerade während des Umschaltvorgangs. An dieser Stelle haben die Messungen Verluste von bis zu 15 kW gezeigt. Unabhängig von STEAM, bietet die Kaskadierung von Konstantpumpen, die an manchen Universitäten auch als digitale Pumpensysteme bezeichnet wird, noch Möglichkeiten zur Wirkungsgradoptimierung – jedoch nur dann, wenn die Maschine auf einen Punkt optimiert werden soll. Beim Mobilbagger ist eine Verstellpumpe, speziell auf Grund seiner flexiblen und vielseitigen Optionsverbraucher, die bessere Lösung. Faß: Die Anwendungsvielfalt ist der zentrale Punkt. Mit einer Konstantpumpe müsste die Volumenstromkopplung über den Verbrennungsmotor laufen. Aus Erfahrung können wir sagen, dass eine solche Umsetzung mit den neueren Motorengenerationen immer schwerer wird. Die Dynamik dieser Motoren ist geringer als früher, bedingt durch die strengeren Emissionsrichtlinien. Daher ist der Ansatz mit hydraulischen Speichern zu arbeiten und den Verbrennungsmotor nur punktuell zu betreiben, so interessant. O+PFluidtechnik 7-8/2016 57

© 2023 by Vereinigte Fachverlage GmbH. Alle Rechte vorbehalten.