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O+P Fluidtechnik 7-8/2018

O+P Fluidtechnik 7-8/2018

Axialkolbenpumpe HAWE

Axialkolbenpumpe HAWE V80ML in Schärgscheiben-Bauweise (Quelle: HAWE Hydraulik) DIE SCHRÄGSCHEIBEN- AXIALKOLBENMASCHINE DIE ANFÄNGE EINER ERFOLGSGESCHICHTE Am 19. Juni beging Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Karl-Theodor Renius seinen 80. Geburtstag. Er publizierte in den letzten 50 Jahren weltweit mehrere hundert Arbeiten, darunter richtungweisende Grundlagen, Beiträge und Bücher, insbesondere über Traktoren und -getriebe, u. a. aber auch zur Ölhydraulik. Mit uns sprach er über die Erfolgsgeschichte der Schrägscheiben- Axialkolbenmaschine, an der er entscheidenden Anteil hatte. Herr Prof. Renius, wie kamen Sie zur Ölhydraulik? Mein Interesse daran entstand vor allem während meiner Assistentenzeit 1966-73 am Institut für Landmaschinen der TU Braunschweig unter Prof. H.J. Matthies (1921-2016). Er hatte die Bedeutung der Hydraulik für den gesamten Maschinenbau schon in den 1960er Jahren erkannt, in die Lehre integriert und mehrere Assistenten zu hervorragenden grundlegenden Dissertationen auf diesem Gebiet geführt. PRODUKTE UND ANWENDUNGEN Und wie kamen Sie speziell auf die Axialkolbenmaschinen? Und die Kolbenreibung? Schon als Student beschäftigte ich mich mit hydrostatischen Getrieben. In Deutschland dachte man damals eher an Schrägachsenmaschinen, in den USA eher an Schrägscheibenmaschinen. Etwa ab 1966 gab es bei Bosch Tendenzen, zweitere zu entwickeln. Es mangelte jedoch an Grundlagen, insbesondere zur Reibungsmechanik der Gleitschuhe und des Kolbens. Mancher Konstrukteur glaubte nicht einmal an eine Zukunft dieser Maschine. Bosch trat daher 1967 an Prof. Matthies heran und bot Unterstützung für den Fall an, dass wir in Braunschweig geeignete Grundlagen erarbeiten würden. So kam es zu einem ersten Prüfstand zur Messung der Gleitschuh-Reibung (bei Schwenkwinkel null), siehe o+p Fluidtechnik 1972 und 1973, vermutlich die weltweit ersten Messergebnisse dieser Art (wegen Vertraulichkeit zeitlich verzögert publiziert). Die Kosten eines Prüfstands überstiegen trotz gewisser Unterstützung durch Bosch unser Budget. So stellten wir einen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der jedoch mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Chancen für einen Erfolg zu gering seien. Trotzdem begann ich mit einem Prüfstand, bei dem ich als kinematische Umkehrung die 20 °-Schrägscheibe umlaufend und einen Einzelzylinder stationär vorsah (siehe O+P 1975, Heft 11). Wegen Geldmangel machten wir fast alles selbst, auch die meisten Sensoren und die hydrostatische Lagerung – eine nicht geringe Herausforderung für ein Landmaschineninstitut. Bosch lieferte präzise Kolben-Zylinder-Paarungen. Das ORIGINALDOKUMENTE VON 1975 Hier können Sie die in O+P erschienene Zusammenfassung der Dissertation von Prof. Renius aus dem Jahr 1975 einsehen. Die Webpage ist passwortgeschützt. Das Passwort lautet: Renius. http://bit.ly/Renius80

INTERVIEW war klar eine große Hilfe, bei der sich Herr van der Kolk von Bosch Verdienste erwarb. In Absprache mit uns promovierte er 1972 an der TH Karlruhe mit einer theoretischen Arbeit, bei der er die Kolben-Zylinder- Paarung als verkantetes Gleitlager behandelte. Bezüglich praxisnaher Messungen gab es nach meinen Recherchen nach wie vor keine Vorarbeiten, insbesondere in puncto der Kolbenreibung. Ein wirklich komplexes Projekt – wie ging es aus? Und dann konnten Sie messen? Was waren am Ende die wichtigsten Erkenntnisse? Können Sie uns einige konstruktive Hinweise aus den Ergebnissen Ihrer damaligen Arbeit geben? Gibt es neben den erarbeiteten Konstruktionsregeln auch Empfehlungen für die Anwendung der Einheiten? Größtes Problem war die Trennung der großen Arbeitskräfte von den teilweise sehr kleinen Reibungskräften, besonders bei hohen Drehzahlen, wo der Kolben schwimmt (was ich erstmalig zeigte). Zuerst hatte ich aber hier nur Rauschen auf dem Signal. Den Durchbruch brachten eine reibungsfreie hydrostatische Lagerung des Zylinders, ein reibungsfreier Kompensationskolben, extrem steife Piezo-Längskraftaufnehmer, eine systematisch reduzierte Masse der Zylinderaufnahme aus Leichtmetall und ein aktiver elektronischer Filter. Die Längs-Eigenfrequenz der Zylinderaufhängung konnte so auf etwa 1 kHz hoch gebracht werden. Ja, und es war nach vielen Rückschlägen ein Erfolgserlebnis. Als es sich abzeichnete, stellten wir bei der DFG erneut einen Antrag auf Förderung. Der wurde auf Grund beigefügter erster Tastergebnisse nun genehmigt und beendete die Phase finanzieller Engpässe. 1973 schloss ich die Arbeiten mit meiner Dissertation ab, diese wurde 1974 als VDI-Forschungsheft 561 publiziert (Zusammenfassung in O+P 1975, Heft 11 und 12) Am bedeutendsten war und ist wohl, dass Gleitschuhe und Kolben bei sachgerechter Konstruktion und passender Ölviskosität ab einer gewissen Drehzahl in die Schwimmreibung kommen mit dann sehr kleinen, d. h. akzeptablen Reibungskräften. Daher sind für die Konstruktion solcher Maschinen gute Kenntnisse der Theorie geschmierter Gleitstellen von Vorteil. Mein Glück war es, dass Matthies den damaligen Gleitlagerpapst Prof. Georg Vogelpohl (1900-1975) frühzeitig als Zweitberichter meiner Dissertation gewann. Von ihm habe ich viel gelernt und konnte z. B. die Ähnlichkeitsmechanik der Gleitlagertheorie für die Kolbenreibung modifizieren – insbesondere mit Hilfe der Gümbel-Hersey-Zahl. Am besten zähle ich die aus meiner Sicht wichtigsten Ergebnisse kurz auf: 1. Die benutzte Paarung eines gehärteten und geschliffenen Kolbens in einer Bronzebuchse bewährte sich. Nach dem Einlaufen kam der Verschleiß weitgehend zum stehen. 2. Beim Einlaufen entstand ein charakteristisches (vermessenes) tonnenförmiges Kolbenprofil, mit dem sich der Bereich der Mischreibung deutlich verringerte. 3. Viele Hersteller benutzten damals Kolben mit Ringnuten. Die sollten die Schmierung verbessern. Ich fand heraus, dass sie in Wirklichkeit die Schmierung verschlechtern, weil sie die Tragdrücke teils drainieren. 4. Für das relative Lagerspiel (Spalt/Radius) ergab sich die Empfehlung: Etwa 1 pro mille für übliche Drehzahlen, etwas weniger für überwiegend langsam laufende Maschinen. 5. Für Pumpen erwies es sich als günstig, wenn die Buchse verkürzt, also nicht durchgehend ist, da die Stufe dann beim Darübergleiten des Kolbens zusätzliche Tragdrücke generieren kann. 6. Beim Einsatz als Motor war eine durchgehende Buchse besser. 7. Eine im vorderen Zylinderbereich elastisch gestaltete Buchse verminderte den Mischreibungsbereich deutlich (Patentanmeldung) 8. Das verwendete Öl ARAL GFU HLP 25 bildete bei 50 °C Reaktionsschichten, die das Metall schützen. Das bedeutet: Gute Öle mindern den Mischreibungs-Verschleiß durch Additive. 9. Eine Drehung des Kolbens relativ zum Zylinder, die infolge Gelenkverklemmens sporadisch auftrat, verbesserte nicht die Bildung von Tragdrücken, erhöhte im Gegenteil die Verluste. Gut drehbare Gelenke erscheinen daher vorteilhaft. 10. Leichtgängige Gelenke vermindern durch geringere Kippneigung auch den Gleitschuh-Leckölstrom beim Anfahren. Leider brach Bosch damals aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen die Entwicklung ab, vermutlich anlässlich personeller Veränderungen. Ich denke ja. Die höchsten Reibungskräfte ergaben sich nach meinen Messungen bei Pumpenbetrieb im Anlauf unter hohem Druck, speziell nach einigen Minuten Stillstand. Häufiges Auftreten dieses Zustands sollte vermieden werden. Das war damals nicht so wichtig, bedeutet aber z. B. heute, dass das Schrägscheibenprinzip für elektrisch-drehzahlvariabel angetriebene Konstantpumpen weniger zu empfehlen ist. Bei Schrägscheibenmotoren ist das Reibungsniveau grundsätzlich niedriger. In bestimmten Leistungsverzweigungen stört es aber trotzdem und zwar bei Drehzahl-Nulldurchgängen. Da sind dann Schrägachsenmaschinen besser und inzwischen vor allem bei höheren Leistungen auch üblich. Herr Prof. Renius, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen noch alles Gute. Die Nr. 1 in Auswahl und Kompetenz – SF. 30‘000 Filtertypen ab Lager. Für den Mobil- und Industriebereich. 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