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O+P Fluidtechnik 9/2021

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O+P Fluidtechnik 9/2021

PNEUMATIK-ZYLINDER

PNEUMATIK-ZYLINDER FEUERTAUFE IM FUSIONSREAKTOR – GROSSZYLINDER SICHERN VAKUUM PRODUKTE UND ANWENDUNGEN In Zusammenarbeit mit dem Maschinenbauer Alsyom wurde der Hersteller von Hochleistungssystemen, RI Research Instruments GmbH, damit beauftragt, ein Torus- und Kryostat-Kryopumpensystem für das ITER-Projekt herzustellen. Dieses soll das erforderliche Vakuum in der Brennkammer des Fusionsreaktors generieren. Die hierfür benötigten Großzylinder fertigte die Konstandin GmbH an. Ihrer Feuerprobe werden sich die acht Pneumatik-Zylinder mit Leichtlaufeigenschaften im Rahmen erster Testläufe mit mehrere Millionen Grad heißem Plasma voraussichtlich Ende 2025 unterziehen. In der französischen Provence wird seit nunmehr 14 Jahren das ehrgeizigste Forschungsprojekt der Geschichte zur langfristigen emissionsfreien Energiegewinnung realisiert. Unter dem bedeutungsträchtigen Akronym ITER (lat. „Weg“) arbeiten insgesamt 35 Nationen am bislang größten Kernfusionsreaktor. Nach demselben Prinzip wie unsere Sonne soll der Reaktor vom Typ Tokamak Nettoenergie im Gigawatt-Bereich erzeugen und damit den Weg für die Fusionswissenschaft sowie für die Energiegewinnung von morgen bereiten. „ITER ist ein Projekt, das die Welt noch nicht gesehen hat“, so Mathias Kraft, Leiter Technik bei der Konstandin GmbH. „Obwohl wir in erster Linie kundenspezifische Produkte herstellen, 24 O+P Fluidtechnik 2021/09 www.oup-fluidtechnik.de

PNEUMATIK-ZYLINDER 01 stach dieser Auftrag durch die speziellen Ansprüche besonders heraus. Deshalb nahmen wir die Herausforderung sehr gern an, unsere Zylinder optimal auf den Einsatz in dem gewaltigen Kernfusionsreaktor auszulegen.“ „HIER KOMMT DIE SONNE“ In einem sogenannten Tokamak wird nichts Geringeres als die Energiequelle der Sonne reproduziert – und das, ohne dabei hochradioaktive Abfälle in Kauf zu nehmen. Im Inneren unseres Zentralgestirns kollidieren die Kerne von Wasserstoffatomen miteinander und verschmelzen zu Helium, wobei energiereiche Neutronen freigesetzt werden. Um diesen Prozess der Kernfusion auf der Erde zu erreichen, wird ein Wasserstoffplasma in der evakuierten Brennkammer des Reaktors, dem Torus, auf 100 Mio. °C erhitzt. Ein supraleitendes Magnetsystem, welches das gesamte donutförmige Vakuumgefäß umspannt, sorgt dafür, dass das Plasma im luftleeren Raum zusammengehalten wird. Denn bei einer Berührung mit anderen Teilchen oder gar den Wänden würde es innerhalb von Sekunden stark abkühlen, was eine Reaktion unmöglich macht. Das für eine solche Kernfusion notwendige Vakuum mit Druckwerten, die der Leere des Weltraums nahekommen, kann nicht mehr allein mit mechanischen Pumpen erreicht werden. Zur Erzeugung des Ultrahochvakuums muss deshalb zusätzlich auf ein Kryopumpensystem zurückgegriffen werden. Eine Kryopumpe basiert auf dem physikalischen Prinzip, dass Atome, Moleküle und Partikel durch den Kontakt mit einer sehr kalten Oberfläche „eingefangen“, immobilisiert und so aus dem Vakuumgefäß extrahiert werden. Aus diesem Grund ist jede ITER-Kryopumpe mit 28 Kryopanels ausgestattet, die auf 4,5 K (- 268,6 °C) heruntergekühlt werden. An diese lagern sich sämtliche Gase und die bei der Kernfusion freigesetzten Abfallprodukte an. Wenn die Pumpe „voll“ ist, wird sie vom Torus beziehungsweise dem Kryostat getrennt, innerhalb weniger Minuten auf 100 K (- 173,2 °C) erwärmt, damit sich die adsorbierten Teilchen lösen, und schließlich wieder auf Betriebstemperatur reduziert. „Dieser Zyklus aus Abkühlen, Erwärmen und Auspumpen innerhalb kürzester Zeit stellt enorme Herausforderungen an das Design der Kryopumpe“, erläutert Sabina Griffith, Communication Officer bei der ITER Organisation. „Das Ventil – übrigens das 01 Nach einer umfangreichen Überprüfung des Prototyps wurden die acht Pneumatik-Zylinder mit Leichtlaufeigenschaften an die RI Research Instruments GmbH geliefert 02 Ein supraleitendes Magnetsystem, welches das gesamte donutförmige Vakuumgefäß umspannt, sorgt dafür, dass das 100 Mio. °C heisse Wasserstoffplasma im luftleeren Raum zusammengehalten wird größte Ganzmetall-Hochvakuumventil der Welt – muss dabei absolut dicht bleiben.“ ZYLINDER WIDERSTEHEN AUSSERGEWÖHNLICHEN BELASTUNGEN 02 An dieser Stelle kommen die speziell angefertigten Edelstahl- Großzylinder von Konstandin ins Spiel. Deren primäre Funktion ist das Ein- und Ausfahren des Ventiltellers, der die Pumpe von der Vakuumkammer trennt, und damit die präzise Steuerung der Pumpleistung. Damit sie erwärmt und die angesammelten Gase und Moleküle ausgeleitet werden können, muss die Kryopumpe außerdem zuverlässig vom Torus separiert werden. Andernfalls würde ein Rückstrom der Gase in die Brennkammer des Reaktors die Fusionsreaktion des Plasmas unterbrechen. Während der Regeneration einer Pumpe übernimmt eine andere deren Funktion, sodass alle eingesetzten Kryopumpen in einem akkuraten Wechselspiel zusammenarbeiten. Als eines von über einer Million Einzelteilen im ITER-Reaktor wird jeder der acht Pneumatik-Zylinder von Konstandin rund 30 000 dieser strapazierenden Zyklen aushalten müssen. „Die Firma Konstandin verfügt über die technischen Kompetenzen, um einen von ITER konzeptionierten pneumatischen Aktuator zum fertigen Industrieprodukt weiterzuentwickeln und in den eigenen Werkstätten herzustellen“, so www.oup-fluidtechnik.de O+P Fluidtechnik 2021/09 25

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