Aufrufe
vor 1 Jahr

O+P Fluidtechnik 9/2022

  • Text
  • Wwwengineeringnewsnet
  • Komponenten
  • Einsatz
  • Simulation
  • Entwicklung
  • Anwendungen
  • Hydraulik
  • Unternehmen
  • Produkte
  • Maschinen
  • Fluidtechnik
O+P Fluidtechnik 9/2022

FLUIDTECHNIK 4.0 –

FLUIDTECHNIK 4.0 – STANDARDISIERUNG IST ESSENZIELL DIGITALISIEREN, VERNETZEN, KOMMUNIZIEREN PRODUKTE UND ANWENDUNGEN Die Interoperabilität zukünftiger Wertschöpfungsnetzwerke stellt einen wichtigen Enabler für die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 dar. Um die technischen Rahmenbedingungen dafür aktiv mitzugestalten, hat der VDMA-Fachverband Fluidtechnik gemeinsam mit seinen Mitgliedsunternehmen eine ganzheitliche Standardisierungsstrategie entwickelt. Diese Strategie besteht darin, auf Basis einer branchenspezifischen Normung von Merkmalen und deren standardisierter Beschreibung den digitalen Zwilling bzw. die Verwaltungsschale fluidtechnischer Produkte zu erzeugen. In der Industrie 4.0 muss die Fluidtechnik in der Lage sein, vernetzt digital zu kommunizieren, Daten zu erzeugen, zu verarbeiten und auszutauschen. Dabei sollte sie kompatibel zu allen in den unterschiedlichen Anwenderbranchen genutzten Technologien und Steuerungen sein. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die Vielzahl der unterschiedlichen Fluidtechnik- Produkte und ihrer Einsatzgebiete dar. Eine Standardisierung der Kommunikation respektive Interoperabilität erfordert eine einheitliche, technologieneutrale Beschreibung der Merkmale sowie standardisierte Datenaustauschformate und Schnittstellen. Die einheitliche Beschreibung der Merkmale erfolgt mit einer gemeinsamen Sprache, die genormte Begriffe und Merkmalsdefinitionen nutzt und eine Semantik erzeugt. Diese Semantik ermöglicht die standardisierte digitale Auslesbarkeit und Verarbeitbarkeit der Daten – und somit die Vernetzung und Kommunikation. Die einheitliche Kommunikation dieser Daten wird durch die Nutzung von Schnittstellenstandards wie OPC UA (Open Platform Communications Unified Architecture) und standardisierten Datenaustauschformaten wie Automation ML (Markup Language) sichergestellt. ANFORDERUNGEN AN DIE FLUIDTECHNIK 4.0 Die Fluidtechnik 4.0 geht über eine reine Onlinekommunikation hinaus. Sie betrachtet den gesamten Lebenszyklus über Entwicklung, Herstellung, Inbetriebnahme, Betrieb, Service und Lebensende/Recycling hinweg. Für alle diese Phasen müssen entsprechend Merkmale vorliegen. Betrachtet man die Merkmale, die für die fluidtechnischen Produkte aktuell in ISO und ECLASS (siehe Kasten) standardisiert existieren, ergeben sich zwei unterschiedliche Arten von Merkmalen: n klassische technische Merkmale, z. B. Hub, Druck, Baugröße oder Schaltzeit n kommerzielle Merkmale, z. B. Hersteller oder GTIN (Global Trade Item Number) Mit Blick auf Industrie 4.0 sind zusätzliche Merkmale relevant: vor allem Zustandsdaten zum Betrieb (Ist-Werte) und weitere Daten, die für die Entwicklung (z. B. Simulationsmodelle), die Inbetriebnahme (z. B. Firmware) und den Service (z. B. GPS-Standort) notwendig sind. Der VDMA-Fachverband Fluidtechnik hat sich zum Ziel gesetzt, diese Industrie-4.0-relevanten Merkmale in den internationalen Standardisierungsprozess einzubringen und damit die Standardisierung im Sinne der Fluidtechnik 4.0 voranzutreiben. VDMA IST TREIBER, MODERATOR UND IMPULSGEBER Bei der internationalen Standardisierungsorganisation ISO engagiert sich der VDMA-Fachverband Fluidtechnik im technischen Komitee ISO/TC 131, Fluid power systems. Zudem sind deutsche Industrieexperten als Obleute und Projektleiter aktiv. Die für die Industrie 4.0 wichtigsten Fluidtechnik-ISO-Normen sind die ISO 5598 und die ISO-18582-Normenreihe. Die ISO 5598:2008, Fluid power systems and components – Vocabulary, legt das Vokabular fest, das für eine standardisierte Semantik – Bedeutungen sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen sowie Verknüpfungsregeln – benötigt wird. Die ISO-18582-Normenreihe, Fluid power – Specification of reference dictionary, bildet mit ihren Klassen- und Merkmalsdefinitionen die Basis zur Klassifizierung und eindeutigen Beschreibung von Produkten. Darüber hinaus leiten und engagieren sich Mitarbeiter der VDMA-Fluidtechnik-Mitgliedsfirmen sowie des Fachverbands in den ECLASS-Fachgruppen Hydraulik und Pneumatik respektive Fluidtechnik. ECLASS weist den Produkten („Klassen“) auf unterster Ebene automatisch gewisse Merkmale wie Herstellername, Herstellerproduktbezeichnung, GTIN oder Lieferantenname zu. Der VDMA-Fachverband Fluidtechnik fungiert als Koordinator zwischen den Organisationen ISO und ECLASS. Der Arbeitskreis „Industrie 4.0 – AK Fluidtechnik“, in dem 14 VDMA-Mitgliedsfirmen und auch ECLASS-Vertreter mitarbeiten, hat über 100 Industrie-4.0- relevante Merkmale ermittelt, die über reine Produktmerkmale hinausgehen. Positionsangaben (GPS) sind beispielsweise bei mobilen Maschinen wichtige Informationen. Fluidqualitäten und erreichte Lebensdauer sind Merkmale, die für die Predictive Maintenance von Relevanz sind. Dateiformat, Speicherort und Versionierung von Simulationsmodellen sind – ebenso wie standardisierte Kenndaten und -felder – Merkmale, die in der Entwicklungsphase vorliegen müssen. Seine Vorschläge zu Industrie-4.0-relevanten Merkmalen bringt der VDMA in die entsprechenden ECLASS- 18 O+P Fluidtechnik 2022/09 www.oup-fluidtechnik.de

VDMA FLUIDTECHNIK 4.0 ECLASS-STANDARD FÜR DEN INFORMATIONSAUSTAUSCH ECLASS ist ein deutscher Verein, dessen Vereinszweck die Entwicklung eines Standards für den Informationsaustausch zwischen Lieferanten und Kunden ist. Dieser ECLASS-Standard ist ein hierarchisches System zur Gruppierung von Produkten und Dienstleistungen. Es besteht aus vier Hierarchieebenen bzw. Klassen. Je niedriger die Klassenebene, desto detaillierter die Beschreibung der Produkte. Der Konsortial-Datenstandard klassifiziert Produkte und Dienstleistungen durch standardisierte Merkmale, deren eindeutige Zuweisung über den International Registration Data Identifier (IRDI) sichergestellt ist. Er ist ISO/IEC (International Electrotechnical Commission)-konform und in mehreren Sprachen verfügbar. Daher ermöglicht der ECLASS-Standard den digitalen Austausch von Produktdaten über Branchen, Länder, Sprachen oder Organisationen hinweg. Bereits seit 2016 laufen Aktivitäten, um auch fluidtechnische Merkmale zu standardisieren. Fachgruppen ein, um sie sukzessive zu konsolidieren und mit den nächsten Aktualisierungen in den ECLASS-Standard zu integrieren. Die VDMA-Aktivitäten leisten einen entscheidenden Beitrag dafür, dass die Standards bei ISO und ECLASS synchron weiterentwickelt und dabei die Bedarfe der Fluidtechnik 4.0 berücksichtigt werden. So soll beantragt werden, dass neue ECLASS-Merkmale in ISO-Normen Eingang finden, und umgekehrt sollen Änderungen in den ISO-Normen auch zu Änderungen im ECLASS-Standard führen. DER WEG ZUM DIGITALEN ZWILLING Um einen übergreifenden Datenaustausch zu ermöglichen, muss das physische Fluidtechnik-Produkt digital als sogenannter digitaler Zwilling vorliegen. Der digitale Zwilling ist das virtuelle Abbild des Produkts und enthält alle relevanten Informationen, die über den Lebenszyklus hinweg auf verschiedenen Anwendungsebenen benötigt werden. Die Aktivitäten der Fluidtechnik lassen sich weitestgehend auf Produkt- (Product) und Feldebene (Field Device) sowie auf der Informationsebene (Information Layer) einordnen. Auf diesen Ebenen müssen die Informationen, die für den digitalen Zwilling notwendig sind, vorhanden sein. Als Gegenstück zum tatsächlichen Produkt (Asset) sind die digitalen Daten, die das Produkt beschreiben, in der sogenannten Verwaltungsschale hinterlegt. Dabei bestehen diese Daten aus definierten Merkmalen, denen jeweils ein Wert zugeordnet ist. Die Merkmale der fluidtechnischen Produkte werden durch ECLASS und ISO genormt und erhalten von ECLASS eindeutige Identifier. ECLASS-Anwender können den Standard mit Struktur und Merkmalen als XML- oder CSV-Dateien mehrsprachig ausleiten bzw. herunterladen. Die Hersteller oder Nutzer können anschließend die relevanten Merkmale mit konkreten Werten versehen bzw. bei Ist-Werten das Feld frei lassen. Der so generierte Datensatz beschreibt das Produkt (Asset) digital und vollständig – der digitale Zwilling ist erzeugt. OPC UA: WICHTIGER BAUSTEIN BEI DER STANDARDISIERUNG Der Datensatz aus Merkmalen mit Werten kann weitergegeben, auf dem Produkt gespeichert oder zum Download angeboten werden, was auch die Nutzung der Merkmale bei der Anbindung der Produkte oder bei der Erarbeitung von OPC UA Companion Specifications – der gemeinsamen, branchenübergreifenden Sprache zwischen Maschinen und Anlagen innerhalb von OPC UA – ermöglicht. Der Standard OPC UA hilft den Herstellern dabei, ihre Produkte für Industrie-4.0-Anwendungen vorzubereiten. Er ist damit auch eine wichtige technische Voraussetzung für neue Industrie-4.0-Geschäftsmodelle. In Anwendungen, für die keine OPC UA Companion Specifications vorliegen, die aber dennoch mit OPC UA angebunden werden sollen, können die Merkmale direkt genutzt werden. Die Merkmale sind universell für jede Art von Protokollen und Schnittstellen nutzbar. Wenn also Hersteller die Daten ECLASS-konform angeben, können die damit beschriebenen Fluidtechnikprodukte vernetzt werden und digital kommunizieren. Die so eingebundenen Bauteile und (Sub-)Systeme und ihre digitalen Zwillinge sind dann Industrie-4.0-kompatibel: der Weg zur „Fluidtechnik 4.0“ ist bereitet. Bilder: Aufmacher: chesky – stock.adobe.com, VDMA www.vdma.org FLUIDTECHNIK 4.0: PUBLIKUMSMAGNET AUF DER HANNOVER MESSE 2022 Im Vorfeld der Hannover Messe wurden für mehrere exemplarische Fluidtechnik-Produkte Digitale Zwillinge entwickelt und leicht verständliche Erklärvideos (Playlist auch auf Youtube verfügbar) sowie die Homepage „Fluidtechnik 4.0“ (https://fluidtechnik40.de/) erarbeitet. Aber nichts geht über das eigene Ausprobieren. Der Fluidtechnik-4.0-Demonstrator stieß auf der Messe auf großes Interesse: Hochrangige Delegationen aus Politik (u.a. der Wirtschaftsausschuss des Bundestags), Vertreter der Industrie (u. a. BDI-Präsident S. Russwurm, VDMA-Präsident K. Haeusgen) und Universitäten (u. a. RWTH Aachen and TU Dresden) sowie viele Messebesucher probierten live aus, wie der Digitale Zwilling aussieht und mit geeigneten Daten zum Erfolg führt. Sie konnten physische Produkte der Fluidtechnik anfassen, deren QR-Codes scannen und die dazugehörigen Digitalen Zwillinge erkunden. Die nächsten Stationen für den Fluidtechnik 4.0-Demonstrator sind das Solutions Theater zur Hannover Messe USA at IMTS in Chicago vom 12.-19. September 2022, der Tag der Verwaltungsschale am 22. September 2022 in Frankfurt a . M. sowie die bauma vom 24.-30. Oktober 2022 in München. www.oup-fluidtechnik.de O+P Fluidtechnik 2022/09 19

© 2023 by Vereinigte Fachverlage GmbH. Alle Rechte vorbehalten.